#GESCHICHTE der HEILPFLANZEN (2) – Die ANTIKE – Griechen und Römer

In der Antike löste sich die Heilkunde und das Wissen über Heilpflanzen immer mehr von der Magie und Geisterwelt der alten Hochkulturen. Griechische und römische Gelehrte wie Hippokrates, Aristoteles, Dioskurides und Galenus legten mit ihren medizinischen Schriften, in denen sie auch Heilpflanzen erwähnten, den Grundstein für die abendländische Medizin.

Griechische Quellen

Hippokrates von Kos und die Säftelehre

Einer der bekanntesten Begründer der abendländischen wissenschaftlichen Medizin und ihrer Ethik war der griechische Arzt Hippokrates von Kos (um 460 bis 370 v. Chr.). Auf ihn geht auch der Hippokratische Eid zurück, den alle Ärzte leisten. Ein ursprünglich in griechischer Sprache verfasstes Arztgelöbnis, das als erste grundlegende Formulierung einer ärztlichen Ethik gilt. In den medizinischen Schriften, die auf ihn zurück gehen, der Corpus hippocraticum finden sich neben Anleitungen für die Verwendung pflanzlicher Arzneimittel auch die Grundlagen der Humoralpathologie, die Viersäftelehre. Er stellte ärztliches Handeln über die Wirkungskraft priesterlicher Worte und ordnete sie einem hohen ethischen Verantwortungsbewusstsein unter. Er gilt als Begründer der Medizin als Wissenschaft, insbesondere als auf umfangreichen Beobachtungen und Beschreibung von Krankheitssymptomen fußende Erfahrungswissenschaft. Von den ihm zugeschriebenen Schriften sind vor allem die Aphorismen verbreitet.

Hippokrates erkannte schon

“ Krankheiten befallen uns nicht aus heiterem Himmel, sondern entwickeln sich aus den täglichen kleinen Sünden wieder die Natur. Wenn diese sich gehäuft haben, brechen sie scheinbar auf einmal hervor.“

Ein Schüler Aristoteles – Theophrastus von Eresos

Nicht zu verwechseln mit Theophrastus Bombastus von Hohenheim, auch Paracelsus genannt. Der wirkte erst viele Jahrhunderte später. Theophrastus von Eresos auch Theophrast genannt, war ein Mitglied von Platons Akademie und folgte dann Aristoteles. Neben über 200 Schriften mit dialektischen, metaphysischen, moralischen und physikalischen Inhalts verfasste er um etwa 300 v. Chr. herum ein Werk über Pflanzen, die „De historia plantarum“ (Naturgeschichte der Pflanzen) und die „De causis plantarum“ (Vom Ursprung der Pflanzen). Über 500 Pflanzen stellte er zusammen mit ihren botanischen Charakteristiken, doch ohne therapeutische Inhalte. Für die Behandlung kranker Menschen galt damals: Zuerst das Wort (verbis), dann die Pflanze (herbis) und zuletzt das Skalpell (lapis). „Wenn jemand Gesundheit sucht, frage erst, ob er bereit sei, künftig die Ursachen der Krankheit zu meiden, erst dann darfst du ihm helfen„.

Plinius (links) überreicht Kaiser Titus ein Schriftband mit der Widmung seines Werks. Buchmalerei in einer Handschrift der Naturalis historia. Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut. 82.1, fol. 2v (Anfang des 13. Jahrhunderts)

Römische Quellen

Plinius der Ältere

In seinen Werk Naturalis Historia schreibt Gaius Plinius der Ältere (ca. 23-79 n.Chr.) über die Freigiebigkeit der Natur und erwähnt circa 1000 Pflanzen, davon unzählige mit ihren therapeutische Eigenschaften. In sein Werk flossen die Schriften von mehreren hundert antiken Autoren ein, darunter auch zahlreiche Berichte über den Gebrauch von Heilpflanzen. Er starb während des historischen großen Vesuvausbruch (Stichwort Pompeij) im Alter von 55 Jahren. Plinius der Ältere sollte nicht mit seinem Neffen Plinius dem Jüngeren verwechselt werden. Dieser überlieferte biografische Informationen über seinen Onkel und auch Angaben über dessen schriftstellerische Tätigkeit. In einem Brief an Baebius Macer zählt er dessen Schriften in chronologischer Reihenfolge auf. Darunter auch die Naturae historiarum libri triginta septem (Naturgeschichte, 37 Bücher), die auf ca. 77 n. Chr. datiert wurde.

Der römische Arzt Dioskurides

Zur gleichen Zeit verfasste der römische Arzt Dioskurides, der in der Epoche Neros lebte, um 60 nach Christus erstmals die Grundzüge der pflanzlichen Arzneimittellehre in seinem Werk “De Materia medica” zusammen. Etwa 1000 Heilmittel sind darin beschrieben, davon etwa 800 Heilkräuter. Dazu noch Arzneimittel tierischen Ursprungs, sowie Schwämme, Pilze, Mineralien und Weinsorten (!) Das Werk behielt seine Bedeutung bis ins 17. Jahrhundert, auch weil es für jede Pflanze eine Abbildung gab und neben den Anwendungen die Synonyme der Pflanzennamen in Griechisch, Latein und Ägyptisch beigefügt waren.

Galen und die Vier-Säfte-Lehre

Von großer Bedeutung war auch der Leibarzt des römischen Kaisers Marc Aurel, Claudius Galenus von Pergamon – auch Galen genannt. Er prägte mehr als alle anderen die Geschichte der Medizin der nächsten 1400 Jahre. Er war von griechischer Herkunft und lebte von 129 bis 199 n. Chr. Er verfasste hunderte medizinische Abhandlungen. Sein medizinisches Hauptwerk ist der ab etwa 175 entstandene Methodus medendi („Die therapeutische Methode“), es besteht aus 14 Büchern. Der Leitgedanke darin ist, dass alle Erscheinungen in der Natur und beim Menschen einen bestimmten Zweck erfüllen. Galen begriff den Menschen als eine Leib-Seele-Einheit, die von zwei Seiten beeinflusst wird, vom Spirituellen und von der Materie. Er nahm die in der Philosophie bzw. Naturphilosophie entwickelte Vier-Elemente-Lehre auf, wonach (das warme und trockene) Feuer, (die kalte und trockene) Erde, (die warme und feuchte) Luft und (das kalte und feuchte) Wasser in unterschiedlicher Zusammensetzung die Grundelemente allen Seins darstellen. Ebenso knüpfte er an die in der hippokratischen Medizin bereits in Ansätzen entwickelte Säftelehre an, welche den aus den vier Elementen entwickelten vier Körperssäften Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle jeweils die vier Qualitäten (Primärqualitäten) warm und feucht, kalt und feucht, warm und trocken und kalt und trocken zuordnete. Galen beschrieb damit die “Humoralpathologie” (lat. humor = Saft und pathologia = Lehre der Krankheiten). Das Verhältnis der Vier Säfte zueinander war von zentraler Bedeutung, eine Störung des Gleichgewichts führte zu Unwohlsein und Krankheit. Aufgabe des Arztes war das Gleichgewichst wieder herzustellen. Ein ähnliches Prinzip gibt es auch in der chinesischen Medizin von Yin und Yang, wie auch in der uralten indischen Heilslehre des Ayurveda.

Kräuter im Marschgepäck der Römer

Die Römer profitierten vom Kräuterwissen der Ägypter und Griechen sowie der unterworfenen Völker und schätzen die Heilpflanzen und Würzkräuter so sehr, dass sie sie im Marschgepäck mitführten und so zu ihrer Verbreitung in ganz Europa beitrugen. In Großbritannien schätzt man die Anzahl der von den Römern eingeführten Kräuter auf etwa zweihundert.

Auf ihren Eroberungszügen nördlich der Alpen brachten sie ihre Kräuter, Gemüse, Wein, Feldfrüchte – und vor allem ihr Wissen über den Anbau dieser mit und führten es in Süddeutschland und in den sogenannten germanischen Gebieten bis zum Limes hin ein. Die Alamannen übernahmen die Kunst des Gartenbaus von den Römern und führten sie nachweislich weiter, wie archäobotanische Funde zeigten – bis Karl der Große schließlich in seiner Landverordung ‚Capitulare de Villis‘ den Landbau und die Gartenkultur nicht nur schriftlich festhielt, sondern auch dafür sorgte, dass sich eine umfangreiche Klosterkultur mit Heilkräuter-, Obst und Nutzpflanzengärten entwickelte.

Kloster Reichenau. Bild: (c) Ute Mangold / wiesengenuss

Die Heilpflanzen und Gärten der Römer nördlich der Alpen

Kräuter, Gewürze und Heilkräuter der Römer

Als reine Wildpflanzen kamen bei den Römern Brennnessel, Löwenzahn, Gänsedistel und Ringelkraut auf den Tisch. (Die Quelle ‚Roemershop‘ gibt leider nicht an, ob es sich um Ringelblume, Wegwarte oder Bingelkraut (Mercurialis perennis) handelt. Da letzterer giftig ist, schließe ich ihn aus). Wie die unzähligen Kräuter aus der Dinglinger Ausgrabung (siehe nächstes Kapitel), waren die Römer auch bekannt für den Anbau von Kräutern wie Petersilie, Minze, Thymian, Dill und viele Heilkräuter.

Ein antiker Garten in Südbaden mit römischen Gemüsen und Heilkräutern

Am Beispiel einer Fundstätte im südbadischen Lahr-Dinglingen, einem gallo-römischen Vicus entlang einer Heer- und Handelsstraße des Imperium Romanum, konnte aufgezeigt werden, welche Kräuter, Pflanzen und Gemüsearten jenseits der Alpen angebaut wurden. Sie lassen Rückschlüsse auf das Leben der Römer im 1. Bis 3. Jahrhundert nach Christus zu. Ein vicus (Plural: vici) war eine Siedlung mit kleinstädtischem Charakter in den nördlichen Provinzen des Römischen Reichs.

Es wurden Hinweise auf Sellerie als weit verbreitete Gemüseart gefunden, weniger häufig die Runkelrübe und Gemüsekohl. Und hier zeigt sich, schon die Römer liebten Hülsenfrüchte wie Erbse, Ackerbohne, Salat-Platterbse und die uralte Linse, denn die wichtigen Eiweißquellen, wenn es zu wenig Fleisch gab, waren häufiger zu finden. Feldkohl, Leindotter, Lein, Hanf und Schlafmohn zählten zu den Öl- und Faserlieferanten. Als Blattgemüse kamen Mangold, Schildampfer und eventuell auch Giersch auf den Tisch. Obstarten waren Apfel, Birne, Pflaume, Kirsche, Pfirsich und auch Maulbeere, Mandel, Walnuss, Esskastanie, Feige und natürlich die Weintraube. Auch viele heute noch heimische Sträucher wie Haselnuss, Schlehe, Hagebutte, Holunder, Brombeere, Himbeere und Heidelbeere konnten nachgewiesen werden.

Die Lahrer Liste

In der sogenannten „Lahrer Liste“ finden sich auch unzählige Gewürz- und Heilpflanzen wie Fenchel, Koriander, Kümmel, Wachholder, Hopfen und die heute eher unbekannte Gartenraute, auch Weinraute (Ruta graveolens) genannt. Und sogar Pfeffer wurde gefunden! Die Liste mit etwa 370 Pflanzen wurde von Apothekern untersucht, die einige heute noch in der Pharmazie bedeutende Heilpflanzen fanden. Darunter Schafgarbe, Hirtentäschel, Thymian, Brennnessel, Schöllkraut, Wilde Malve, Spitzwegerich und die herzwirksame Waldpflanze Roter Fingerhut (Digitalis). Und viele viele mehr fanden die Archäologen oder besser Archäobotaniker im Lahrer vicus. Insgesamt wurden in 59 Proben und über 8.975 Pflanzenreste isoliert und bestimmt.  

Außer diesen hier gefundenen Pflanzen kultivierten die Römer noch eine breite Palette von weiteren Gemüsesorten, darunter Allium die Laucharten, Wurzelgemüse wie Rettich, Karotten, Pastinaken und köstliche Blüten wie die Artischocken und dazu noch Gurken und den uralten Flaschenkürbis, der so tolle Gefäße lieferte.

Wiener Dioskurides Prason. Bild: Autor/-in unbekannt.Unknown author, Public domain, via Wikimedia Commons

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