Der MANGOLD und die BETEN

BETA VULGARIS subsp. vulgaris, Familie der Amaranthaceae

Ein typisches Herbstgewächs in meinem Garten ist der Mangold, mein Namensvetter. Denn in unserem Garten in Südbaden ziert er manchmal noch bis in den Januar mit seinen bunten Stängeln den Garten. Es sei denn es gibt schon früher Frost.

Mangold (Beta vulgaris subsp. vulgaris) ist eine Pflanzenart, die zur Familie der Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae) gehört. Es ist eine nicht winterharte Pflanze und wird in Europa und Nordamerika als Gemüse angebaut. Er hat große, runde bis herzförmige Blätter, die grün oder purpurrot gefärbt sein können. Die Blätter wachsen auf einem kurzen Stiel und sind oft in einer rosettenförmigen Anordnung angeordnet. Die Pflanze bildet keine Blüten aus, jedoch kleine, unscheinbare Schoten. Es gibt verschiedene Sorten von Mangold, die sich in Größe, Farbe und Geschmack unterscheiden. Der grüne Mangold hat hellgrüne Blätter und einen milden Geschmack, während der purpurrote Mangold dunklere, purpurrote Blätter hat und einen etwas herzhafteren Geschmack hat. Mangold wird in der Regel als Gemüse verzehrt und kann roh oder gekocht gegessen werden. Er kann als Salat, Suppe, Auflauf, Pesto, Saft und Smoothie zubereitet werden. Mangoldblätter enthalten eine große Menge an Vitamin A, Vitamin K und Vitamin C und sind reich an Mineralien wie Eisen und Kalium. Mangold kann leicht angebaut werden und benötigt viel Sonnenlicht und regelmäßige Feuchtigkeit. Es ist tolerant gegenüber Hitze und Trockenheit und ist eine schnell wachsende Pflanze, die in der Regel innerhalb von 50 bis 60 Tagen nach der Aussaat geerntet werden kann.

Blatt- oder Stielmangold

Er wird seit mehr als 4000 Jahren angebaut und galt noch im 17. Jahrhundert als Delikatesse. Später wurde er dann vom aus dem Kaukasus stammenden Spinat verdrängt. Doch glücklicherweise ist der robuste und schmackhafte Mangold jetzt wieder zurück auf den Märkten und in der Küche.

Der Mangold sei ein Spinatgewächs, so heißt es oft. Das stimmt, jedoch sind sie über tausend Ecken hinweg ganz weitläufige Cousins. Des Mangolds Geschwister sind die Rüben, besser gesagt, die Beten (manchmal auch Beeten geschrieben). So sind neben der bekannten Roten oder der Gelben  Bete auch die Runkel- und die Zuckerrüben nahe Verwandte des Mangolds.

Der eigentümliche Name Mangold geht nicht auf einen lateinischen Begriff oder auf eine Pflanzeneigenschaft zurück. Es könnte aber sein, dass seine Bezeichnung auf den althochdeutschen Männernamen Managolt (bedeutet Vielherrscher, Stärke, Kraft) zurückgeführt werden kann. Wegen seiner Größe und Stattlichkeit – der „Herrschende“ im Bauerngarten, mit seinen kräftigen und ausladenden Blättern, die bis zu einem halben Meter groß werden können.

Bunter Mangold. Foto (c) Ute Mangold

Schon die Römer liebten Mangold

In der Capitulare Karls des Großen war er erwähnt (einer Liste, in dem er vorschrieb was auf seinen Landgütern angebaut werden soll), das Mittelalter und die Renaissance hat er überdauert, bis er dann in der heutigen Zeit fast in Vergessenheit geraten ist. Aus der traditionellen mediterranen Küche ist er auch heute nicht wegzudenken. Die Italiener, Franzosen und Spanier verwenden häufig als frittierte oder gedünstete Beilage. In Italien heißt er „bietola„, auf Spanisch „acelgas“ und in Frankreich wird er als „blette“ bezeichnet. In Kroatien und Istrien wird er als „blitva“ traditionell zusammen mit Kartoffeln zu fangfrischem Fisch und Scampi, Kaisergranaten gereicht.

Glücklicherweise sind die Rezepte nun bis zu uns herüber geschwappt und nun gilt er als der neue Shooting Star unter den alten Gemüsesorten. Purpurne, Rote, Orangefarbene und Gelbe Mangoldsorten mit dicken Rippen oder zarten Stielen, bereichern neben den klassischen weißstieligen Sorten mittlerweile die Küchen- und Bauerngärten. Das liegt wohl auch daran, dass der Mangold relativ geringe Ansprüche stellt. Er braucht lange nicht so viel Wasser und Dünger wie der Spinat. Seine Blätter sind widerstandfähiger gegen Hitze – und auch gegen Kälte. Er kann sogar unter einer Schneedecke, oder gegen Frost bedeckt, im Freien überwintern.

Die Roten, Gelben und Weißen Beten

Die Roten, Gelben und Weißen Beten gehören wie der Mangold zur gleichen Pflanzenfamilie. Alle drei sind Rüben wie die Zuckerrüben und Futterrüben. Nicht verwandt mit ihnen sind die Speiserüben oder auch der dem Mangold ähnelnde Pak Choi. Die Farbe der Roten Rübe wurde erst im 19. Jahrhundert in sie hineingezüchtet. Der rote Farbstoff heißt Betanin und ist ein Glykosid, eine Art Zucker. Angeblich soll sie deshalb so gesund sein, weil sie viel Eisen enthält und blutbildend wirkt. Dieser Mythos hängt ihr seit der Antike an und hat wohl vor allem mit der blutroten Farbe ihres im gekochten Zustand austretenden Saftes zu tun. Das Betanin und wirkt antioxidativ, das Immunsystem stärkend. Wie viele andere Pflanzenfarbstoffe auch. Bekanntestes Beispiel: das orangefarbene Carotin. Eine blutbildende Wirkung ist von diesen Farbstoffen nicht bekannt. Auch Eisen enthält die Rote Bete nicht in nennenswerter Menge.

Sie hat einen ganz charakteristischen süßlichen und erdigen Geschmack, den nicht alle mögen. Dabei enthält sie zahlreiche Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Es gibt sie auch in einer dekorativ weiß gestreiften Variante, die ‚Tonda di Chioggia‚. In unserer Kräuter- und Gemüseküche wird die Rote Bete immer beliebter, gerade auch wegen ihrer rotfärbenden Wirkung. So können zum Beispiel Couscous und Glasnudeln damit gefärbt werden. Roh und in Scheiben geschnitten macht sie sich gut in bunt gemischten Salaten – und vor allem ihre jungen zarten Blätter mit den roten Blattadern machen sich gut in sogenannten „Wildkräutersalaten“. Sie schmecken angenehm leicht säuerlich. Meist werden jedoch zarte Blättchen vom Roten Mangold verwendet, beide sehen sich zum Verwechseln ähnlich.

Die Gelbe Bete ist eine uralte Kulturpflanze. Die gelbe Rübe ist wie ihre roten und weißen Schwestern ein Abkömmling der Wilden Rübe auch See-Mangold genannt (siehe unten „Botanisches“). Sie wuchs früher an den Meeresküsten Europas, nach Mitteleuropa gelangte sie wie so viele Kulturpflanzen mit den Römern. Erst im 16. Jahrhundert taucht die Bete in ihren verschiedenen Farbvariationen in unseren Regionen auf. Ihre gelbe Färbung, z. B. bei der Rübe ‚Burpees Golden‘, kommt durch den Farbstoff Betaxanthin. Geschmacklich ist sie etwas milder als ihre rote Schwester und können in der Küche genau wie sie ganz geröstet, gebacken oder gegart werden. Gewürfelte Gelbe Bete mit Olivenöl und Zitronensaft schmeckt zum Beispiel zu Lachsgerichten. Zudem lassen sich die Scheiben mit ihrer goldgelben Farbe als Ersatz für Karotten bzw. Möhren verwenden.

Mangold im Garten

Mangold im Garten, Foto (c) Ute Mangold

Die Aussaat des Mangolds erfolgt von Ende März bis April sowie für eine weitere herbstliche Ernte von Juli bis Mitte August. Im Frühjahr ausgesäter Mangold wird ab Juli erntereif. Die Pflanze kann aber auch zweijährig gezogen werden, da sie erst nach einer Kältebehandlung, z.B. im Winter (Vernalisation) in der zweiten Vegetationsperiode blüht. Die Mangoldpflanzen vertragen sich mit manchen Nachbarn im Bauerngarten sehr gut, mit anderen nicht so gut.

Gute Nachbarn sind Buschbohne, Hülsenfrüchte allgemein, Kohl, Möhren, Radieschen, Rettich. Ein schlechter Nachbar ist ausgerechnet sein weitläufiger Verwandter, der Spinat.

Inhaltsstoffe

Die Pflanze enthält außerordentlich viel Vitamin K, außerdem Vitamin A und Vitamin E, sowie Natrium, Magnesium, Kalium und Eisen. Die Mangoldwurzel enthält viel Zucker, der in früheren Zeiten durch Auskochen gewonnen wurde. Später löste die Zuckergewinnung aus der nahe verwandten Zuckerrübe dieses Verfahren ab. Die Mangoldblätter zählen zu den Lebensmitteln mit sehr hohem Oxalsäuregehalt, was von Nierenkranken (Oxalatsteine) zu beachten ist. Des Weiteren sollte Mangold wegen des hohen Oxalsäuregehalts nicht roh verzehrt werden (dieser verringert sich beim Kochen). (Quelle: wikipedia)

In der Küche

Wegen ihrer rotfärbenden Wirkung des Rote Bete Safts können zum Beispiel Couscous und Glasnudeln damit gefärbt werden. Roh und in Scheiben geschnitten macht sie sich gut in bunt gemischten Salaten – und vor allem ihre jungen zarten Blätter mit den roten Blattadern machen sich gut in sogenannten „Wildkräutersalaten“. Sie schmecken angenehm leicht säuerlich. Meist werden jedoch zarte Blättchen vom Roten Mangold verwendet, beide sehen sich zum Verwechseln ähnlich.

Die gelbe Färbung der Gelben Bete z. B. bei der Rübe ‚Burpees Golden‘, kommt durch den Farbstoff Betaxanthin. Geschmacklich ist sie etwas milder als ihre rote Schwester und kann in der Küche genau wie sie ganz geröstet, gebacken oder gegart werden. Gewürfelte Gelbe Bete mit Olivenöl und Zitronensaft schmeckt zum Beispiel zu Lachsgerichten. Zudem lassen sich die Scheiben mit ihrer goldgelben Farbe als Ersatz für Karotten bzw. Möhren verwenden.

Rezepte mit Mangold und Beten im Blog

2-B30-M35-1876-1 Mangold, Album Benary / Farblithographie Botanik: Mangold – Beta vulgaris. ‚Mangold oder Beete (Beisskohl)‘. – Farblithographie, von G. Severeyns. Aus: Album Benary, Erfurt (Ernst Benary) 1876-1893, Tafel 28. Privatsammlung. E: Chard, Album Benary / Colour lithograph Botany: Chard – Beta vulgaris. ‚Chard or Swiss Chard‘. – Colour lithograph, by G. Severeyns. Fr.: Album Benary, Erfurt (Ernst Benary) 1876-1893, plate 28. Private Collection.

Botanik und Geschichte

Der Mangold (Beta vulgaris subsp. vulgaris, Cicla-Gruppe und Flavescens-Gruppe), auch Krautstiel genannt, ist eine Gemüsepflanze, die botanisch zu den Rüben gehört, genauer gesagt zu den Beten, auch wenn er keine verdickte Wurzel ausbildet. Im ALBUM BENARY von 1876 findet sich die Bezeichnung „Mangold Wurzels“ – auch für die Beten. Und zu ihnen gehören auch noch die Zuckerrübe, die Runkelrüben, die Futterrübe und die bekannte Rote Rübe, auch Rote Bete genannt. Wobei es die auch in Gelb gibt, die Gelbe Bete.

Die Wildform des Mangolds und der Beten ist die Wilde Rübe, der See-Mangold  (Beta vulgaris subsp. maritima). Aus diesem sollen sie heraus gezüchtet worden sein. Alte Kulturpflanzen also. Und wer noch tiefer in die Botanik einsteigen mag, der lese weiter… 😉 Die Beten gehören zur Unterfamilie der Betoideae in der Familie der Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae). Über ihren wilden Verwandten, dem Amaranth haben wir ebenfalls schon berichtet. Die Amaranthaceae sind wiederum eine Unterfamilie der Chenopodiaceae, auch Meldengewächse genannt, zu denen übrigens auch der aus dem arabischen Raum eingeführte Spinat gehört. So viel zur Botanik und zu den Verwandtschaftsverhältnissen.

Leonhart Fuchs, Weißer Mangolt, Das Kräuterbuch von 1543 

Die ältesten Funde von Beten und Rüben, bzw. deren Fruchtkelche wurden in jungsteinzeitlichen Küstensiedlungen vor ca. 2000 Jahren gemacht. Vermutlich handelte es sich um Teile der wilden Meeresstrand-Rübe (Beta vulgaris ssp. maritima), auch Seemangold genannt. Dieser kommt an der Nordseeküste natürlicherweise vor. 

Erste schriftliche Nachweise des Rüben-Anbaus stammen aus antiken Pflanzenlisten, beispielswiese aus den Gärten des babylonischen Königs Merodachbaidadan (722-711 v.Chr.). Auch der griechische Gelehrte Theophrastos (371-297 v. Chr.) erwähnte eine den Rüben ähnliche Pflanze, bei den alten Griechen „teutilon“ genannt. Auch der griechische Arzt Hippokrates erzählte im 5. Jahrhundert vor Christus von ihnen als einer „alltäglichen Marktware´“ in Athen. Verkohlte Überreste von Fruchtknäuel der Beten wurden in Römischen Siedlungen am Rhein gefunden und in der Capitulare Karl des Großen werden „betas“ unter 72 Arten von Kräutern, Gemüse, Fruchtbäumen und Blumen aufgeführt. In Klostergärten wurden spätestens ab dem 9. Jahrhundert die Beten dann systematisch angebaut. Im späten Mittelalter wurden die Beten bzw. Rüben dann unter den zu versteuernden Produkten der Bauerngärten aufgeführt, neben Kraut, Knoblauch, Zwiebeln, Mohn, Hanf sowie Hülsenfrüchten, Saubohnen, Grünen Bohnen, Erbsen, Porree, Meerrettich – und je nach Landschaft auch Melde und Spinat. Und in der Mitte des 16. Jahrhunderts als der Buchdruck erfunden war, wurden in Kräuterbüchern erstmals naturgetreue Abbildungen wiedergegeben, wie des „Römischen Mangolt“ von Otto Brunfels (1532). Damals unter dem Namen „cicla“ genannt als Heilkraut benannt. Eine Gegenüberstellung von „Weißem Mangolt“, „Weiß rüben“ und „Rotrüben“ stammt aus etwa der gleichen Zeit von Leonhart Fuchs (1543), da gab es also schon die beiden markanten Gemüsesorten auf den Bauernmärkten jener Zeit. 

Literatur, Quellen & Links

#GESCHICHTE der HEILPFLANZEN (2) – Die ANTIKE – Griechen und Römer

In der Antike löste sich die Heilkunde und das Wissen über Heilpflanzen immer mehr von der Magie und Geisterwelt der alten Hochkulturen. Griechische und römische Gelehrte wie Hippokrates, Aristoteles, Dioskurides und Galenus legten mit ihren medizinischen Schriften, in denen sie auch Heilpflanzen erwähnten, den Grundstein für die abendländische Medizin.

Griechische Quellen

Hippokrates von Kos und die Säftelehre

Einer der bekanntesten Begründer der abendländischen wissenschaftlichen Medizin und ihrer Ethik war der griechische Arzt Hippokrates von Kos (um 460 bis 370 v. Chr.). Auf ihn geht auch der Hippokratische Eid zurück, den alle Ärzte leisten. Ein ursprünglich in griechischer Sprache verfasstes Arztgelöbnis, das als erste grundlegende Formulierung einer ärztlichen Ethik gilt. In den medizinischen Schriften, die auf ihn zurück gehen, der Corpus hippocraticum finden sich neben Anleitungen für die Verwendung pflanzlicher Arzneimittel auch die Grundlagen der Humoralpathologie, die Viersäftelehre. Er stellte ärztliches Handeln über die Wirkungskraft priesterlicher Worte und ordnete sie einem hohen ethischen Verantwortungsbewusstsein unter. Er gilt als Begründer der Medizin als Wissenschaft, insbesondere als auf umfangreichen Beobachtungen und Beschreibung von Krankheitssymptomen fußende Erfahrungswissenschaft. Von den ihm zugeschriebenen Schriften sind vor allem die Aphorismen verbreitet.

Hippokrates erkannte schon

“ Krankheiten befallen uns nicht aus heiterem Himmel, sondern entwickeln sich aus den täglichen kleinen Sünden wieder die Natur. Wenn diese sich gehäuft haben, brechen sie scheinbar auf einmal hervor.“

Ein Schüler Aristoteles – Theophrastus von Eresos

Nicht zu verwechseln mit Theophrastus Bombastus von Hohenheim, auch Paracelsus genannt. Der wirkte erst viele Jahrhunderte später. Theophrastus von Eresos auch Theophrast genannt, war ein Mitglied von Platons Akademie und folgte dann Aristoteles. Neben über 200 Schriften mit dialektischen, metaphysischen, moralischen und physikalischen Inhalts verfasste er um etwa 300 v. Chr. herum ein Werk über Pflanzen, die „De historia plantarum“ (Naturgeschichte der Pflanzen) und die „De causis plantarum“ (Vom Ursprung der Pflanzen). Über 500 Pflanzen stellte er zusammen mit ihren botanischen Charakteristiken, doch ohne therapeutische Inhalte. Für die Behandlung kranker Menschen galt damals: Zuerst das Wort (verbis), dann die Pflanze (herbis) und zuletzt das Skalpell (lapis). „Wenn jemand Gesundheit sucht, frage erst, ob er bereit sei, künftig die Ursachen der Krankheit zu meiden, erst dann darfst du ihm helfen„.

Plinius (links) überreicht Kaiser Titus ein Schriftband mit der Widmung seines Werks. Buchmalerei in einer Handschrift der Naturalis historia. Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut. 82.1, fol. 2v (Anfang des 13. Jahrhunderts)

Römische Quellen

Plinius der Ältere

In seinen Werk Naturalis Historia schreibt Gaius Plinius der Ältere (ca. 23-79 n.Chr.) über die Freigiebigkeit der Natur und erwähnt circa 1000 Pflanzen, davon unzählige mit ihren therapeutische Eigenschaften. In sein Werk flossen die Schriften von mehreren hundert antiken Autoren ein, darunter auch zahlreiche Berichte über den Gebrauch von Heilpflanzen. Er starb während des historischen großen Vesuvausbruch (Stichwort Pompeij) im Alter von 55 Jahren. Plinius der Ältere sollte nicht mit seinem Neffen Plinius dem Jüngeren verwechselt werden. Dieser überlieferte biografische Informationen über seinen Onkel und auch Angaben über dessen schriftstellerische Tätigkeit. In einem Brief an Baebius Macer zählt er dessen Schriften in chronologischer Reihenfolge auf. Darunter auch die Naturae historiarum libri triginta septem (Naturgeschichte, 37 Bücher), die auf ca. 77 n. Chr. datiert wurde.

Der römische Arzt Dioskurides

Zur gleichen Zeit verfasste der römische Arzt Dioskurides, der in der Epoche Neros lebte, um 60 nach Christus erstmals die Grundzüge der pflanzlichen Arzneimittellehre in seinem Werk “De Materia medica” zusammen. Etwa 1000 Heilmittel sind darin beschrieben, davon etwa 800 Heilkräuter. Dazu noch Arzneimittel tierischen Ursprungs, sowie Schwämme, Pilze, Mineralien und Weinsorten (!) Das Werk behielt seine Bedeutung bis ins 17. Jahrhundert, auch weil es für jede Pflanze eine Abbildung gab und neben den Anwendungen die Synonyme der Pflanzennamen in Griechisch, Latein und Ägyptisch beigefügt waren.

Galen und die Vier-Säfte-Lehre

Von großer Bedeutung war auch der Leibarzt des römischen Kaisers Marc Aurel, Claudius Galenus von Pergamon – auch Galen genannt. Er prägte mehr als alle anderen die Geschichte der Medizin der nächsten 1400 Jahre. Er war von griechischer Herkunft und lebte von 129 bis 199 n. Chr. Er verfasste hunderte medizinische Abhandlungen. Sein medizinisches Hauptwerk ist der ab etwa 175 entstandene Methodus medendi („Die therapeutische Methode“), es besteht aus 14 Büchern. Der Leitgedanke darin ist, dass alle Erscheinungen in der Natur und beim Menschen einen bestimmten Zweck erfüllen. Galen begriff den Menschen als eine Leib-Seele-Einheit, die von zwei Seiten beeinflusst wird, vom Spirituellen und von der Materie. Er nahm die in der Philosophie bzw. Naturphilosophie entwickelte Vier-Elemente-Lehre auf, wonach (das warme und trockene) Feuer, (die kalte und trockene) Erde, (die warme und feuchte) Luft und (das kalte und feuchte) Wasser in unterschiedlicher Zusammensetzung die Grundelemente allen Seins darstellen. Ebenso knüpfte er an die in der hippokratischen Medizin bereits in Ansätzen entwickelte Säftelehre an, welche den aus den vier Elementen entwickelten vier Körperssäften Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle jeweils die vier Qualitäten (Primärqualitäten) warm und feucht, kalt und feucht, warm und trocken und kalt und trocken zuordnete. Galen beschrieb damit die “Humoralpathologie” (lat. humor = Saft und pathologia = Lehre der Krankheiten). Das Verhältnis der Vier Säfte zueinander war von zentraler Bedeutung, eine Störung des Gleichgewichts führte zu Unwohlsein und Krankheit. Aufgabe des Arztes war das Gleichgewichst wieder herzustellen. Ein ähnliches Prinzip gibt es auch in der chinesischen Medizin von Yin und Yang, wie auch in der uralten indischen Heilslehre des Ayurveda.

Kräuter im Marschgepäck der Römer

Die Römer profitierten vom Kräuterwissen der Ägypter und Griechen sowie der unterworfenen Völker und schätzen die Heilpflanzen und Würzkräuter so sehr, dass sie sie im Marschgepäck mitführten und so zu ihrer Verbreitung in ganz Europa beitrugen. In Großbritannien schätzt man die Anzahl der von den Römern eingeführten Kräuter auf etwa zweihundert.

Auf ihren Eroberungszügen nördlich der Alpen brachten sie ihre Kräuter, Gemüse, Wein, Feldfrüchte – und vor allem ihr Wissen über den Anbau dieser mit und führten es in Süddeutschland und in den sogenannten germanischen Gebieten bis zum Limes hin ein. Die Alamannen übernahmen die Kunst des Gartenbaus von den Römern und führten sie nachweislich weiter, wie archäobotanische Funde zeigten – bis Karl der Große schließlich in seiner Landverordung ‚Capitulare de Villis‘ den Landbau und die Gartenkultur nicht nur schriftlich festhielt, sondern auch dafür sorgte, dass sich eine umfangreiche Klosterkultur mit Heilkräuter-, Obst und Nutzpflanzengärten entwickelte.

Kloster Reichenau. Bild: (c) Ute Mangold / wiesengenuss

Die Heilpflanzen und Gärten der Römer nördlich der Alpen

Kräuter, Gewürze und Heilkräuter der Römer

Als reine Wildpflanzen kamen bei den Römern Brennnessel, Löwenzahn, Gänsedistel und Ringelkraut auf den Tisch. (Die Quelle ‚Roemershop‘ gibt leider nicht an, ob es sich um Ringelblume, Wegwarte oder Bingelkraut (Mercurialis perennis) handelt. Da letzterer giftig ist, schließe ich ihn aus). Wie die unzähligen Kräuter aus der Dinglinger Ausgrabung (siehe nächstes Kapitel), waren die Römer auch bekannt für den Anbau von Kräutern wie Petersilie, Minze, Thymian, Dill und viele Heilkräuter.

Ein antiker Garten in Südbaden mit römischen Gemüsen und Heilkräutern

Am Beispiel einer Fundstätte im südbadischen Lahr-Dinglingen, einem gallo-römischen Vicus entlang einer Heer- und Handelsstraße des Imperium Romanum, konnte aufgezeigt werden, welche Kräuter, Pflanzen und Gemüsearten jenseits der Alpen angebaut wurden. Sie lassen Rückschlüsse auf das Leben der Römer im 1. Bis 3. Jahrhundert nach Christus zu. Ein vicus (Plural: vici) war eine Siedlung mit kleinstädtischem Charakter in den nördlichen Provinzen des Römischen Reichs.

Es wurden Hinweise auf Sellerie als weit verbreitete Gemüseart gefunden, weniger häufig die Runkelrübe und Gemüsekohl. Und hier zeigt sich, schon die Römer liebten Hülsenfrüchte wie Erbse, Ackerbohne, Salat-Platterbse und die uralte Linse, denn die wichtigen Eiweißquellen, wenn es zu wenig Fleisch gab, waren häufiger zu finden. Feldkohl, Leindotter, Lein, Hanf und Schlafmohn zählten zu den Öl- und Faserlieferanten. Als Blattgemüse kamen Mangold, Schildampfer und eventuell auch Giersch auf den Tisch. Obstarten waren Apfel, Birne, Pflaume, Kirsche, Pfirsich und auch Maulbeere, Mandel, Walnuss, Esskastanie, Feige und natürlich die Weintraube. Auch viele heute noch heimische Sträucher wie Haselnuss, Schlehe, Hagebutte, Holunder, Brombeere, Himbeere und Heidelbeere konnten nachgewiesen werden.

Die Lahrer Liste

In der sogenannten „Lahrer Liste“ finden sich auch unzählige Gewürz- und Heilpflanzen wie Fenchel, Koriander, Kümmel, Wachholder, Hopfen und die heute eher unbekannte Gartenraute, auch Weinraute (Ruta graveolens) genannt. Und sogar Pfeffer wurde gefunden! Die Liste mit etwa 370 Pflanzen wurde von Apothekern untersucht, die einige heute noch in der Pharmazie bedeutende Heilpflanzen fanden. Darunter Schafgarbe, Hirtentäschel, Thymian, Brennnessel, Schöllkraut, Wilde Malve, Spitzwegerich und die herzwirksame Waldpflanze Roter Fingerhut (Digitalis). Und viele viele mehr fanden die Archäologen oder besser Archäobotaniker im Lahrer vicus. Insgesamt wurden in 59 Proben und über 8.975 Pflanzenreste isoliert und bestimmt.  

Außer diesen hier gefundenen Pflanzen kultivierten die Römer noch eine breite Palette von weiteren Gemüsesorten, darunter Allium die Laucharten, Wurzelgemüse wie Rettich, Karotten, Pastinaken und köstliche Blüten wie die Artischocken und dazu noch Gurken und den uralten Flaschenkürbis, der so tolle Gefäße lieferte.

Wiener Dioskurides Prason. Bild: Autor/-in unbekannt.Unknown author, Public domain, via Wikimedia Commons