Das echte JOHANNISKRAUT – bringt wieder Licht ins Dunkel

Hypericum perforatum
Familie der Hartheugewächse (Hypericaceae)
Hyperici herba (Ph.Eur.)

„Sankt Johannskraut…. von etlichen auch Fuga demonum genennt, darumb, das man meynet, wo solichs kraut behalten würt, da komm der teüffel nicht hyn, möge auch kein gespenst bleiben…“ BRUNFELS (1532)

Solche alten Weisheiten können leicht als Aberglauben abgetan werden, doch haben sie einen realen Kern: Wenn man die Vertreibung von Gespenstern mit der Vertreibung von Depressionen gleichsetzt. So steckt manchmal in den alten medizinischen Kräuterbüchern ein wahrer Kern. Das Johanniskraut gehört zu den am besten wissenschaftlich erforschten Kräutern als Mittel gegen depressive Verstimmungen, gegen „Winterblues“ und in Kombination mit anderen Heilpflanzen auch bei Angst und Unruhe. Äußerlich als rotes Johanniskrautöl bei Verletzungen und sogar leichten Verbrennungen. Wegen der gut belegten Wirkung sind Johanniskrautpräparate durch die Krankenkassen erstattungsfähig.

Den Inhaltsstoffen Hypericin und Hyperforin wird eine phototoxische Wirkung nachgesagt. Diese Nebenwirkungen wurden jedoch bisher nur bei Tieren beobachtet, die größere Mengen Johanniskraut gefressen haben – und bei Menschen nur ganz gelegentlich, wenn sie besonders hellhäutig sind oder die Dosis zu hoch war. Leider haben Johanniskrautpräparate deswegen mittlerweile ein schlechten Ruf. In den handelsüblichen Dosen und Präparaten aus der Apotheke, ist die Dosis jedoch so gering, dass keine Nebenwirkungen mehr beobachtet wurden.

Das zum Sonnenhöchststand im Sommer geerntete Kraut hilft im Winter gegen die Dunkelheit, auch „Winterdepression“ genannt. Es heißt, es bringe Sonnenkräfte in die Organe und regeneriert. Am besten nimmt man Johanniskraut schon vorbeugend, bevor die dunklen, trüben Hochnebeltage wieder beginnen. Die Wirkung setzt nach 1 bis zwei Wochen ein.

„Seit November 2009 wird Johanniskraut offiziell in der deutschen Leitlinie für Depressionen geführt. Es wird bei leichten und mittelschweren Depressionen nachweislich genausogut wie herkömmliche Antidepressiva, aber mit deutlich geringerem Nebenwirkungspotenzial“, schreibt Ursel Bühring im aktuellen Lehrbuch für Heilpflanzenkunde, 5. Auflage 2021, Haug Verlag.

Gut für die Seele und auch für die Haut, das erkannte schon Paracelsus, der Arzt, Alchemist und Naturforscher (1493-1541). Von ihm ist das Zitat „Johanniskraut ist eine Hilfe für alle innerlichen und äußerlichen Öffnungen der Haut.“ überliefert.

Prof. Dr. Thomé, Otto Wilhelm – www.biolib.de Gemeinfrei, wikimedia.commons. File: Hypericum perforatum.

Johanniskraut in der Mythologie

Das echte Johanniskraut, Tüpfelhartheu oder Hartenau war seit Urzeiten mit der Sommersonnenwende und der dämonenvertreibenden Kraft der Sonne verbunden. Um die höchste dämonenabwehrende Kraft zu haben, musste es taunass am Morgen des Johannistages (24. Juni) gepflückt werden.

Traditionell galt das Johanniskraut in der Volksheilkunde als Mittel gegen Zauberei und Anfechtungen des Teufels. Die hellen Punkte, die man sieht, wenn man die gelben Blätter gegen das Licht hält, erwecken den Eindruck, als sei die Pflanze durchlöchert. Der Sage nach sollen diese Löcher vom Teufel stammen, der erbost über die Macht, die dieses Kraut über böse Geister und über ihn selbst besass, die Blätter mit Nadeln zerstochen habe. Heute weiß man, dass es sich um Sekretbehälter handelt, die eine helle Flüssigkeit aus ätherischem Öl und Harz enthalten.

Bei den Kelten wurde das Kraut in das Sonnenwendfeuer gehalten, um böse Geister zu vertreiben und im Kampf unbesiegbar zu bleiben. Den germanischen Stämmen galt das Johanniskraut als Symbol der Sonne. Junge Mädchen trugen Kränze daraus zu den Riten bei den Sonnenwendfeiern. Im Mittelalter galt Johanniskraut als Hauptmittel gegen bösen Zauber. Ein Kranz aus dem Kraut am Sonnenwendfest gebunden und übers Hausdach geworfen, sollte vor Blitz, Feuer, Dämonen und dem Teufel schützen. Verbrannt wurde es zum Schutz vor Dämonen und der Dunkelheit sowie als Hilfe gegen Traurigkeit. Bei aufziehendem Gewitter wurde es verräuchert, um die Atmosphäre um das Anwesen zu entspannen, damit die Entladung des Gewitters nicht zu stark wurde.

Luciafest - Fest des Lichts 

Am 13. Dezember wird in den nordischen Ländern wie Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland das Luciafest gefeiert. Das Fest des wiederkehrenden Lichts. Der 13. Dezember, ist zum einen der Gedenktag der heiligen Lucia - und des kürzesten Tag des Jahres, der er in Schweden vor der Einführung des Gregorianischen Kalenders im Jahr 1752 an diesem Tag war.

Geschichte des Johanniskraut

Schon in der Antike war das Johanniskraut eine geschätzte Heilpflanze. Von Hippokrates wurde sie zur Behandlung von inneren Eiterungen und Lungenerkrankungen empfohlen. Dioskurides (1. Jahrhundert) empfahl sie zu Umschlägen auf Brandwunden. Auch Paracelsus (1493-1541) erwähnte das Johanniskraut gegen zahlreiche Beschwerden. Kneipp empfahl die frischen Blüten sechs Wochen in Olivenöl einzulegen und einen Auszug von diesem ‚Oleum hyperici‘ bei Anschwellungen, Hexenschuss, Gicht und Verrenkungen zu applizieren.

Bildquelle: Alpmed, Herstellung von Johanniskrautöl

Botanisches und Vorkommen

Das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum), auch Echt-Johanniskraut, Gewöhnliches Johanniskraut, Durchlöchertes Johanniskraut, Tüpfel-Johanniskraut oder Tüpfel-Hartheu genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Johanniskräuter (Hypericum) innerhalb der Familie der Hypericaceae (früher Hartheugewächse).

Zu finden ist diese ölreiche Pflanze an Wegrändern, Dämmen, mageren Weiden, Heiden und brachliegenden Feldern, in lichten Wäldern und Gebüschen. Am liebsten natürlich in voller Sonne. Diese benötigt sie auch für ihr üppiges Wachstum. All dies macht sie zu einer der schönsten Pflanzen des Hochsommers.

Sie ist eine anspruchslose Pflanze, die meist um den 21. Juni (Sommersonnwende) herum zu blühen beginnt. Sie wird 80 – 100 cm gross und hat einen aufrechten, harten Stängel, der 2 feine Längskanten hat. Die Blätter sind ohne Stiele, eiförmig und ganzrandig. Wenn man sie gegen das Sonnenlicht hält, sieht man viele durchsichtige Pünktchen, daher der Name getüpfeltes Johanniskraut. Die Blüten sind aus 5 gold-gelben Kronblättern zusammengesetzt mit vielen Staubgefässen in der Mitte. Sie sehen aus wie kleine Sonnenrädchen. Sie enthalten dunkle Drüsen mit dem Hauptwirkstoff Hypericin. Wenn man die Blüten zwischen den Fingern zerreibt, färbt sich die Haut davon dunkelrot.

„Das Johanniskraut, auch Sankt Johannskraut genannt, gehört sicherlich auf die Lichtseite des Erdenlebens. Das Johanniskraut erkennt man an den goldgelben Blüten, die mit den feuerroten Staubgefäßen wie eine Krone aussehen. Zerreibt man die goldgelben Blüten zwischen den Fingern verfärben sie sich blutrot. Die Blüte verkündet die Johannizeit, den Höchststand des Jahres, die Sommersonnenwende am 24. Juni, auch Johannistag genannt. Die volle Kraft der Sommersonne lebt also in ihm, dem Johanniskraut. Die Öldrüsen der Blätter sind im Gegenlicht als tausend kleine Punkte sichtbar, die wie Löchlein aussehen – deshalb auch der Beinname „perforatum“.“ (Quelle: Alpmed Ratgeber)

Bildquelle: Alpmed, Johanniskraut Standort in der Toskana

Inhalts- und Wirkstoffe

Zu den Inhalts- und Wirkstoffen gehören Hypericine, Flavonoide, Gerbstoffe und ätherisches Öl. Zu den Hauptwirkstoffen gehört Hyperforin (2-4%) und Hypericin, das rote Farbpigment (0,1-0,15% im Kraut, 0,2 – 0,3% in Blüten). Ihnen wird eine phototoxische Wirkung nachgesagt. Diese Nebenwirkungen wurden bei Tieren beobachtet, die Johanniskraut gefressen haben – und bei Menschen nur ganz gelegentlich, wenn sie besonders hellhäutig sind oder die Dosis zu hoch war. Leider haben Johanniskrautpräparate deswegen mittlerweile ein schlechten Ruf. In den handelsüblichen Dosen und Präparaten aus der Apotheke, ist die Dosis jedoch so gering, dass keine Nebenwirkungen mehr beobachtet wurden.

Eine interessante Quelle findet sich auch bei der Philipps-Universität Marburg: „Hypericin wurde früher als Arzneistoff, hauptsächlich als Antidepressivum verwendet, wobei phototoxische Reaktionen der Haut, der Augenlinse, und der Retina als Nebenwirkungen festgestellt wurden. Diese photochemischen Reaktionen macht man sich heute in der Onkologie zunutze.“ (Wie schon erwähnt, müssen dazu hohe Dosen eingesetzt werden)

Wirkungen

Obwohl das Johanniskraut zu den besterforschten Heilpflanzen gehört, ist der genaue Wirkmechanismus bis heute unklar. Als sicher gilt, dass das Hyperforin und Hypericin zu den nervenberuhigenden Stoffen gehören. Doch wie bei allen großen Heilpflanzen gilt: Die Kombination machts! Soll heißen, nicht ein einzelner Wirkstoff heilt, sondern die gesamte Wirkstoffkombination.

Nachweislich wirken Johanniskrautpräparate stimmungsaufhellend und somit antidepressiv (Serotonin-Reuptake-hemmer). Weitere Wirkungen sind angstlösend, stressmindernd, schlaffördernd und es werden auch körperliche Begleitsymptome von Depressionen wie Rücken- und Kopfschmerzen, Müdigkeit und Magen- und Herzbeschwerden reduziert. Dazu kommen entzündungshemmende und wundheilungsfördernde Eigenschaften durch die Flavonoide. Das Hyperforin hat außerdem eine antibakterielle Wirkung, wie zahlreiche Studien der Uni-Hautklinik Freiburt zeigen, hemmt es das Wachstum der anitbiotikaresistenten Staphylococcus-aureus-Bakterien (muliresistente Krankenhauskeime).

Anwendung- Innerlich: Hyperici Herba (Johannis-Kraut)

  • Stress
  • Leichte bis mittelschwere Depressionen
  • nervösen Unruhezuständen
  • Angstzustände
  • Burnout Syndrom
  • Wechseljahrbeschwerden

WICHTIG Wirkung setzt erst nach ca. 8 Tagen ein und entfaltet sich erst nach 3-5 Wochen zufriedenstellend.

Anwendung – Äußerlich: Hyperici Oleum (Johanniskrautöl)

  • Wundbehandlung von Schnitt- und Schürfwunden
  • Prellungen und Verstauchungen
  • Nervenschmerzen und Hexenschuss
  • Verbrennungswunden
  • Spröde und trockene Haut

Johanniskraut ist eine der besten schulmedizinisch erforschten Heilpflanzen. Es gibt sehr viele Studien, die die Wirksamkeit von Johanniskraut vor allem bei Depressionen, Angst, nervöse Unruhe aber auch bei Migräne, Menopause und Hauterkrankungen belegen.

"Johanniskraut (Hypericum perforatum) Typisch ist die leuchtend gelbe Blütenfarbe, die schon im Mittelalter als Hinweis für die stimmungsaufhellenden Eigenschaften des Johanniskrauts galt. Der bekannte Seelentröster kann uns dabei unterstützen, wieder an unsere innere Kraft heranzukommen. Seine Wirkungen sind in Studien, z. B. bei Depressionen, gut belegt. In den auf den Blättern erkennbaren kleinen Tupfen steckt nämlich der Farbstoff Hypericin – als Rotöl eines der ältesten Heilmittel in der Naturapotheke. Man kann es beispielsweise auch als Massageöl verwenden. Wenn wir uns nach dem nächsten Frühling sehnen, kann auch ein Johanniskraut-Tee gut unterstützen und ein wenig Sonne in unsere Herzen zaubern. Phytotherapeutika mit Johanniskraut-Extrakt gegen leichte depressive Verstimmungen sind rezeptfrei in der Apotheke erhältlich." (Quelle: Natur & Heilen, Februar 2023)

Pharmakologie & Wirkeigenschaften

Die große Bedeutung des Johanniskrauts spiegelt auch die hohe Anzahl an wissenschaftlich anerkannten Anwendungen wieder. Sie gilt als psychotrope Heilpflanze, da sie nachweislich bei psycho-vegetativen Störungen, depressiven Verstimmungen, Angstzuständen und nervöser Unruhe hilft. Die gesamte Wirkstoffkombination vermindert den Anstieg von Cortisol bei Stress und beeinflusst die Melatonin-Ausschüttung. Als Öl soll es außerdem auch der Faltenbildung entgegenwirken und damit zu jugendlich frischem Aussehen verhelfen. Das rote Johanniskrautöl besitzt eine entzündungshemmende Wirkung.

In der Phytotherapie haben sich bei mittelschwerer und sogar schwerer Depression hochdosierte und standardisierte Johanniskrautpräparate bewährt. Wegen der gut belegten Wirkung sind sie durch die Krankenkassen erstattungsfähig. Erfahrungsgemäß eignen sie sich besonders bei Erschöpfungsdepression oder bei somatoformen Störungen. Bei hohen Dosen kommt es gelegentlich zu Hautausschlägen und nur in Einzelfällen zur Fotosensibilisierung der Haut. Ansonsten ist die Verträglichkeit sehr gut. Zu beachten sind Interaktionen mit Immunsupressiva. Deshalb auf jeden Fall Arzt oder Apotheker fragen.

Verwendung in der Hausapotheke

Man verwendet meist das ganze Kraut für Tee. Aber auch Johanniskrautöl (ein mit Öl aus frischen Pflanzenteilen gewonnener Extrakt) wird gerne verwendet. Das Öl hilft bei Wunden und Verbrennungen, der Tee gilt als Heilmittel bei depressiven Zuständen. Es gibt es mittlerweile auch in Form von Kapseln, Dragees, Tropfen und Saft. Mehr dazu siehe „In der Phytotherapie“.

In der Erfahrungsheilkunde werden die oberirdischen Teile des Johanniskrauts verwendet, die zur Hochblütezeit im Juni gesammelt werden. In ihrem Öl ist damit die Sonnenenergie zum Sonnenhöchststand eingefangen. Das Johanniskrautöl gilt als nicht reizendes, „kaltes Öl“. Man gewinnt es, indem man Johanniskrautblüten zwei Monate lang in kaltgepresstes Oliven- oder Sonnenblumenöl einlegt, gelegentlich kräftig schüttelt und in der Sonne stehen lässt. Diesen Vorgang nennt man Mazeration.

Johanniskraut in der Toskana, Bild: alpmed

ZITRONENMELISSE – ätherische Öle für Nerven, Herz und Magen

Melissa officinalis L.
Lamiaceae (Familie der Lippenblütler)
Arzneidroge: Melissae folium (Ph. Eur.)

Wie ein sanftes Ruhekissen wirkt der Tee von den Melissen. Stärket Nerven, Herz und Magen, hilft bei vielen Frauenplagen. Fördert auch den Schlaf ganz herrlich, kurzum: Macht sich unentbehrlich. (Autor: unbekannt)

Die Zitronenmelisse, eines der ältesten und bekanntesten Heilkräuter in vielen Kloster- und Hausgärten. Ein duftender Lippenblütler, reich an ätherischen Ölen. Beim Zerreiben der Blätter entströmt ihr ein intensiver zitronenähnlicher Duft. Die Melisse enthält ein wertvolles Öl, das nur in geringen Mengen in ihr vorkommt und mehrere tausend Euro pro Kilogramm kostet. Als klösterlicher Melissengeist wird es auch heute noch verkauft gegen innere Unruhe und Magen-Darm Beschwerden. Ihre ätherischen Öle Citral und Citronellal, deren Namen schon auf den zitronenartigen Duft hindeuten, sind nicht nur in Zitronen, sondern auch in Zitronengras, Basilikum, Ingwer und sogar Möhren enthalten ist.

In den Gärten wird sie lange schon als Gewürz- und Heilpflanze angebaut. Bei uns nicht ursprünglich heimisch, ist sie mittlerweile auch nach draußen verwildert und siedelt sich dort an, wo sie sich vom Klima her wohlfühlt. Sie vermehrt sich über kurze Bodenausläufer, was bedeutet, dass man sie im Kräuterbeet gut im Zaum halten muss, das sie sich über diese Ausläufer gerne rasch vermehrt und den ganzen Garten besiedeln kann.

Geschichte

In der Antike galt sie als Bienenpflanze. Ihr Name Melisse, Melissa oder auch Melitta bezeichnete dabei die Honigbiene. Das griechische Wort melitos stammt von meli = “Honig“. Die Bezeichnung „officinalis“ deutet auf eine frühe Nutzung als Apothekerpflanze hin. (Als ‚Offizinum‘ wurde der Vorraum von Apotheken bezeichnet, in denen Pflanzenteile sortiert, gelagert und verkauft wurden – ‚officinalis’ bedeutet: in der Apotheke gebräuchlich).

Der Gattungsname Melissa der erstmals im Kräuterbuch des Pedanios Dioskurides und in der Naturalis historia von Plinius dem Älteren als melissophyllon (Bienenblatt) beschriebenen Pflanze leitet sich vom griechichschen meliteion ab, das mit meli Honig (melitos) zusammenhängt. Er bezieht sich auf die Nutzung als Bienenweide. Im 11. Jahrhundert lobt Avicenna sie zur Stärkung der Vitalität und Vertreibung der Melancholie. Hildegard von Bingen (1098 – 1179) schrieb: Die Melisse ist warm. Ein Mensch, der sie isst, lacht gerne, weil ihre Wärme die Milz berührt und daher das Herz fröhlich macht“. Um 1491 gibt das erste in deutscher Sprache gedruckte Kräuterbuch „Hortus Sanitatis“ die Melisse als „Frauenmittel“ an. Und Paracelsus (1493 – 1541) schätzte sie wegen ihrer herzförmigen Blätter als Herzmittel, das kostbarer als Gold sei. 1611 führten die Karmeliterinnen den „Klosterfrau Melissengeist“ in Paris ein, was sie bis heute bekannt macht. Volkstümliche Namen wie „Nervenkräutel“, „Frauenwohl“ oder „Herztrost“ deuten auf ihre beruhigenden Eigenschaften. Auf englisch heißt sie Balm gentle, balm leaves, balmmint, honey plant, lemon balm, sweet balm.

Botanisches

Die Zitronenmelisse oder Melisse (Melissa officinalis) ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Melissen (Melissa) innerhalb der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae). Sie stammt ursprünglich aus dem vorderen Orient und Westasien und ist auch in Teilen des östlichen Mittelmeerraumes heimisch. Ihr natürliches Areal reicht von Anatolien über den Kaukasusraum, Irak und Iran bis Pakistan. Aufgrund ihres würzig zitronenartigen Duftes und ihrer beruhigenden Heilwirkung wird die Melisse heute als Küchenkraut und als Heilpflanze in Europa sowie in Süd- und Nord-Amerika angebaut.

In Mitteleuropa ist sie vielfach kultiviert und verwildert in klimatisch geeigneten Lagen. Im Mittelmeerraum bis an den Alpennordrand (Österreich, Schweiz) wächst sie fest eingebürgert an Ruderalstandorten, Hecken oder Mauern bis in die kolline Stufe hinauf. Auch in wärmebegünstigten Teilen Deutschlands ist die Melisse eingebürgert, so z. B. in der Oberrheinebene.

Die krautige wachsende Art kann bis zu 80 cm hoch werden. Sie ist mehrjährig und soll bis zu 25-30 Jahre alt werden können. Die Melisse weist den typischen Bau der Lamiaceen (früher als Labiaten, dt. Lippenblütler bezeichnet) auf. Aus einem ausdauerndem Wurzelstock mit unterirdischen Ausläufern (Rhizom) treiben im Frühjahr zahlreiche vierkantige Stängel mit kreuzgegenständig angeordneten eiförmigen, stumpf gesägten Blättern.

Die Blätter sind kurz gestielt, bis acht Zentimeter lang und bis drei Zentimeter breit mit an der Unterseite deutlich hervortretenden Nerven. Die Oberseite ist mit Drüsenschuppen versehen, schwach behaart und deutlich dunkler als die Unterseite. Der zitronenartige Geruch der Blätter wird durch ätherisches Öl ver­ursacht, das in den Drüsenschuppen auf der Blattoberfläche enthalten ist. Beim Zerreiben verletzt man diese Drüsen und setzen es so frei.

An den Blattachseln entspringen in Scheinquirlen weiße oder bläulich- weiße typische Lippenblüten mit einer flachen Ober- und einer dreilappigen Unterlippe. Melissa officinalis hat blassrosa bis blassviolette, manchmal auch gelblichweiße Lippenblüten, die nur etwa 1cm lang sind. Sie haben eine auffallend große Unterlippe und einen zweilippigen Kelch. Die Blütezeit erstreckt sich von Juni bis September. Bestäubt werden sie größtenteils von Hymenopteren wie Bienen und Hummeln, aber auch z. B. von Schwebfliegen. In der Regel sind die Blüten zwittrig, nur selten treten auch eingeschlechtliche Blüten auf. Zur Fruchtreife entstehen bis zu 2 mm lange schwarzbraune Nüsschen, die Teilfrüchte einer Klausenfrucht sind und mehrere Jahre im Boden überdauern können.

Zitronenmelisse wildwachsend. Foto: (c) Ute Mangold / wiesengenuss

In der Phytotherapie

*)Anmerkung: Natürlicherweise kommt Citral in der Regel als Gemisch der beiden Isomere Geranial (Citral A) und Neral vor. Geranial ist als Duftstoff u. a. in Tomaten zu geringen Anteilen als Abbauprodukt von Lycopen zu finden. Citral ist Hauptbestandteil vom Zitronengrasöl (bis zu 85 %) und dem Öl von Litsea cubeba (bis zu 75 %) kommt aber auch in vielen anderen ätherischen Ölen, wie von Basilikum, Lorbeer, IngwerMajoran, Malabargras, Möhren, Muskatellersalbei, Perilla, Rosenholz, Zitronenstrauch und Zitronen vor.

Wirkung – nervenstärkend, entkrampfend und belebend

Innerlich: Hier werden als Droge im arzneilichen Sinn die Blätter (Melissae folium) verwendet. Die traditionelle Verwendung erfolgt zur Unterstützung der Magenfunktion und bei nervlicher Belastung. Präparate wie Teeaufgüsse, Flüssig- oder Trockenextrakte aus der Melisse wirken beruhigend und krampflösend. Sie werden bei Einschlafstörungen und Magen-Darm-Beschwerden eingesetzt. Häufig werden sie in Teemischungen mit anderen beruhigend wirkenden Drogen eingesetzt. Bäder werden bei Entzündungen der Haut und der Genitalorgane eingesetzt, aber auch als Entspannungsbäder.

Äußerlich: Aufgrund des Gehaltes an Phenolcarbonsäuren-Derivaten, vor allem Rosmarinsäure, haben Melissenblätter auch eine antimikrobielle und antivirale Wirkung. Dies wird in Salben zur Behandlung von Herpes simplex eingesetzt. In der Volksmedizin wird die Zitronenmelisse auch gegen Erkältungskrankheiten und Kreislaufschwäche eingesetzt.

Melissa officinalis. Illustration_Melissa_officinalis0 Von Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz 1885, Gera, Germany – httpwww.biol

Verwendung

In der Küche

Die Zitronenmelisse wird als Gewürz- oder Arzneipflanze und als Bienenweide angebaut. Die Blätter werden als Küchengewürz verwendet. Extrakte aus den Blättern werden zu Kräuterlikören verarbeitet. Zum Aromatisieren von kalten Getränken, Salaten und Saucen sowie Kompotten wird Melisse verwendet. Tee und Wein kann man aus ihr herstellen. Melissentee soll beruhigend wirken und verdauungsfördernd sein. Am aromatischsten ist Zitronenmelisse vor der Blüte.

In der Hausapotheke

Tee als Aufguss mehrmals täglich bei nervös bedingten Einschlafstörungen und funktionellen Magen-Darm-Beschwerden. Meist in Kombination mit anderen beruhigenden und auf die Verdauung karminativ wirkenden Heilpflanzen.

Melissenöl eine Rariät

Im Handel ist reines Melissenöl aufgrund des hohen Preises (rund 6000 Euro pro kg) selten erhältlich, meist sind es Ersatzöle wie Citronellaöl, Zitronengrasöl oder Verfälschungen (Indisches Melissenöl).[9]

Als sogenannte Klostermelisse wird sie dem hochprozentigen (79 Vol.-% Alkohol) Klosterfrau Melissengeist zugesetzt. Als „Melissengeist“ wird ein alkoholisches Mischdestillat gehandelt. Dabei werden Melissenblätter, Orangenschalen, Ingwerwurzel, Nelken, Zimtrinde, Angelikawurzel und andere Drogen gemeinsam in Alkohol angesetzt und dann destilliert. „Karmelitergeist“ (Spiritus Melissae compositus) ist eine Mischung verschiedener ätherischer Öle, u.a. Melissenöl (häufig ausgetauscht gegen das preiswertere Citronellöl), in Alkohol gelöst.

Anerkannte medizinische Anwendung

KOMMISSION E: innerlich bei funktionellen Magen-Darm-Beschwerden und bei nervös beding­ten Einschlafbeschwerden.

Das HMPC hat Melissenblätter als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (§39a AMG) eingestuft in Form von Tee (Infus), gepulverter Droge, Flüssigextrakt, Trockenextrakten und Tinktur.

  • Innerlich zur Besserung leichter Stresssymptome
  • innerlich als Einschlafhilfe
  • innerlich bei leichten krampfartigen Magen-Darm-Beschwerden (Blähungen, Flatulenz)
  • Durch klinische Daten belegte Anwendungsgebiete (Zulassung): äußerlich bei Herpes­infektionen (Lippenbläschen durch Herpes simples HSV-1 und HSV-2)

ESCOP: innerlich bei Angespanntheit, Unruhe und Reizbarkeit sowie zur symptomatischen Behand­lung von Verdauungsbeschwerden wie leichte Bauchkrämpfe; äußerlich zur Behandlung der wunden Stellen bei Lippenherpes (Lippenbläschen).

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

In Präparaten zum Einnehmen werden Melissenblätter häufig mit anderen beruhigend wirkenden Pflanzen kombiniert (z.B. Baldrianwurzel, Hopfenzapfen, Passionsblumenkraut).

  • geschnittene Melissenblätter zur Teebereitung
  • Fluidextrakt in Flüssigkeiten
  • alkoholische Auszüge in Tropfen
  • Trockenextrakte in löslichen Tees, Tabletten, Dragees
  • Trockenextrakte in Salben (gegen Lippenbläschen)

Melisse gegen Demenz?

Britische Forscher konnten 2004 nachweisen, dass Melisse die Gehirnleistung stärken kann, denn es fördert die Freisetzung des Neurotransmitters und Botenstoffs Acetylcholin. Ein Stoff, der bei Alzheimerpatienten nur noch in geringen Mengen vorhanden ist. Nachweislich verbesserte sich die Gehirnleistung der Probanden. Vielleicht ein wichtiger Baustein bei der Behandlung von Demenzpatienten. (BBC-Online, DAZ Deutsche Apothekerzeitung)

Quellen und weiterführende Literatur

  • Wikipedia – Zitronenmelisse
  • Arzneipflanzenlexikon
  • Bühring, Ursel: Alles über Heilpflanzen, Ulmer Verlag, Stuttgart, Hohenheim 2007, 2020, 1. Nachdruck 2023
  • Stern, Cornelia; Ell-Beiser, Helga: Phytotherapie in Theorie und Praxis. AT Verlag Aarau und München, 2022

LITERATURVERZEICHNIS & QUELLEN

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(c) Ute Mangold / wiesengenuss 2023. Alle Bilder und Texte sind urheberrechtlich geschützt.

GELBER ENZIAN – Bittere Medizin

Gentiana Lutea. Koehlers Medizinalpflanzen. Historische Zeichnung.

Gentiana lutea
Familie der Enziangewächse (Gentianaceae)
Gentianae radix (Enzianwurzel)

Hatte man früher Bauchgrummeln, vor allem nach einem fettigen Essen, so gabs einen Schnaps. Und in den Bergregionen wars ein „Enzian“, der soll die Magensäfte anregen, hieß es. Und so war das auch. Das merkte man schon am Speichelfluss. Verdauungsfördernd und Appetitanregend.

Ein „Enzian“ enthielt die Wurzel des Gelben Enzian. Nicht des blauen, der oft auf dem Etikett abgebildet ist, nein, der Gelbe Enzian (Gentiana lutea) und der ist selten. Meine Aufnahme stammt von einer Bergwiese in über 1500 Meter Höhe in der Zentralschweiz.

Achtung Verwechslungsgefahr: Nicht blühend ist der Gelbe Enzian leicht mit dem sehr stark giftigen Weißen Germer zu verwechseln, dessen ebenfalls bogennervige und graugrüne Blätter aber nicht kreuzgegenständig, sondern (dreizeilig) wechselständig beziehungsweise schraubig angeordnet sind.

Der Enzian in der Volksheilkunde

Volksheilkundlich setzte man die Pflanze häufig bei Magenbeschwerden, aber auch bei hohem Fieber ein. „Bittere Medizin“.  Was in der Erfahrungsheilkunde schon lange bekannt war, geriet nun auch in den Blick der Wissenschaften. Seit 1990 ist die Wurzel des Gelben Enzian (Gentianae radix) ein offiziell anerkanntes Heilmittel, nach Beschluss der Kommission E. Er gehört zu den sogenannten Bitterstoffdrogen*, den Tonica amara. (In Apothekersprache werden als „Drogen“ getrocknete Heilkräuter bezeichnet). Und bitter ist er, der Enzian!! Sogar sehr bitter. Mit einem Bitterwert von 10.000 bis 20.000 folgt er nach dem Bitterholz auf Platz zwei der Rangliste der Bitterkräuter, noch vor dem Wermutkraut. Danach folgen u.a. Artischockenblätter, Tausendgüldenkraut, Pomeranzenschalen und Chinarinde.

Bitterstoffe sind „Treibstoff für den Verdauungsapparat, natürliche Fat-Burner, kognitive Förderer und Immunostimmulatoren“. (Pflanzenheilkunde, Impulse e.V.).

Bitterstoffe regen die Verdauungssäfte an

In der Apothekersprache werden Bitterstoffe oder Bitterkräuter auch Tonica amara (lat. amarus = bitter) genannt. Sie bestehen aus verschiedenen chemischen Verbindungen, die bei oraler Einnahme die Ausschüttung von Verdauungsäften, wie Speichel, Magensaft, Galle und Sekreten aus der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) fördern. Eingesetzt werden sie bei Verdauungsproblemen aller Art und auch bei Appetitlosigkeit.
„Bitter“ wird von der Zunge als eine der fünf Geschmacksrichtungen gespürt und viele lehnen diesen Stoff (leider) ab. Mit der Folge, dass die Bitterstoffe in den Gemüsesorten immer mehr weggezüchtet werden. Da wir dadurch mittlerweile zu wenige Bitterstoffe mit der Nahrung aufnehmen, haben die sogenannten ‚Dyspepsien‘, sprich Verdauungsstörungen, rasant zugenommen. Dabei regen die Bitterstoffe den kompletten Verdauungsmechanismus an – und zwar schon auf der Zunge. Kaum ziehen sich die Geschmacksknospen dort zusammen, wird ein unwillkürlicher Reflex über den Nervus vagus ausgelöst. Das beginnt mit dem Speichelfluss, geht über vermehrte Magensäureproduktion bis hin zur Anregung der Verdauungsdrüsen in der Leber und dem Pankreas. Vor allem wirken sie auch auf die Gallenblase, das gallensaftfreisetzende Ausscheidungsorgan. „Pantha rhei“ – alles fließt. Stauungen werden aufgelöst, mit der Folge einer besseren Verdauung der Nahrung.

Bitterstoffe wirken stärkend

Im Vornamen „Tonica“ amara der Bitterstoffe, steckt das Wort „Tonicum“ als Stärkungsmittel. Die Bitterstoffe wirken tonisierend, das bedeutet, dass die Durchblutung der Gefäße angeregt wird und damit auch die Herztätigkeit. In der Schweiz habe ich eine alte Bauerntradition kennengelernt, bei der morgens (!) ein Glas Kräuterschnaps getrunken wurde, vor der Arbeit. Und mittags auch, nach dem Essen.
Die Sekretion der gesamen Ausscheidungsorgane und der Schweißdrüsen wird durch die Bitterstoffe stimuliert. Durch die Magen- und Darmsäfte wird auch die Leber entlastet. Die Nahrung wird besser zerlegt, ist dadurch weniger toxisch. Insgesamt wird der ganze Entgiftungsprozess des Körperstoffwechsels in Gang gebracht. Gelber Enzian als Detox Mittel der allerfeinsten Art.

Bitterstoffe wirken antibakteriell

Dazu haben Bitterstoffe auch noch eine bakterizide und antiparasitäre Wirkung. Auf der Zunge und in den Schleimhäuten der Atemwege gibt es einen Bitterrezeptor mit dem Namen T2R38 und im Zusammenhang mit einem Biofilm steht, den diese Schleimhäute erzeugen. Er hat er eine Wächterfunktion für die Atemwege und damit für die Immunabwehr.

Bitter macht lustig

Von den Bitterstoffen wird der gesamte Kreislauf angeregt, die Blutbildung erhöht und die Lebenslust gesteigert.

Eine seltene und geschützte Pflanze der Gebirge

Der Gelbe Enzian wächst gern auf Bergwiesen, in den gebirgigen Zonen Mittel- und Südeuropas. Von den Pyrenäen bis zum Balkan. Von den südlichen Alpen bis nach Unterfranken. In deutschen Mittelgebirgen kommt er beispielsweise im Schwarzwald auf dem Feldberg und dem Hohen Randen vor, besonders häufig auf der Schwäbischen Alb. Das liegt daran, dass er kalkliebend ist, aber auch auf kristallinem Gestein wächst wie Granit oder Gneis. In den Alpen erreicht er vereinzelt Höhenlagen von 2500 Metern.

Der Gelbe Enzian ist in den Alpen und anderen Gebirgen Mittel- und Südeuropas verbreitet. Es gibt Fundortangaben für PortugalSpanienFrankreichDeutschlandÖsterreich, die SchweizItalienSlowenienSerbienKroatienBulgarien, Rumänien, AlbanienGriechenland, die westliche Türkei, die Republik Moldau und die Ukraine.[10][2] In deutschen Mittelgebirgen kommt er beispielsweise im Schwarzwald auf dem Feldberg und dem Hohen Randen vor, besonders häufig auf der Schwäbischen Alb. Der Gelbe Enzian galt als kalkliebend, wächst aber auch auf kristallinem Gestein (Schwarzwald) und gedeiht in Mitteleuropa auf Weiden-, Block- und Karflure von der Tallage bis in Höhenlagen von 2500 Metern, die wenigstens zeitweise feucht und locker sind. Er kommt in Mitteleuropa in größeren Höhenlagen vor in Gesellschaften des Verbandes Nardion, des Calamagrostion-arundinaceae-Verbands, auch im Verband Erico-Pinion und in der Ordnung der Seslerietalia albicantis.[5] In niedrigen Höhenlagen findet man ihn in Gesellschaften des Mesobromion- und des Verbandes Geranion sanguinei.[5] In den Allgäuer Alpen steigt er im Tiroler Teil zwischen Jöchelspitze und Mutte in Höhenlagen von bis zu 2100 Metern auf.[11] In den Alpen erreicht er vereinzelt Höhenlagen von 2500 Metern.[4]

Gentiana lutea ist in Deutschland geschützt durch die Bundesartenschutzverordnung, Allerdings kann er sich aufgrund seiner reichlichen Produktion leicht verwehbarer Samen auf Weideflächen auch zur Plage entwickeln, denn das Nutzvieh meidet ihn. Und das ist genau der Trick beim Enzian. Die Bitterstoffe wurden von ihm nämlich nicht dazu ausgebildet, uns zu gefallen, sondern Fressfeinde abzuwehren. Auch wir Menschen essen ihn nicht roh, sondern bevorzugt Flüssig als Extrakt oder Tinktur. Oder eben als Schnaps.

 

Bild: (c) Ute Mangold, wiesengenuss.
Gelber Enzian in der Zentralschweiz am Glacier 3000. 

INHALTS- und WIRKSTOFFE

Enzianwurzel enthält die Bitterstoffe Amarogentin und Gentiopicrosid. Enzianwurzeln werden seit Jahrhunderten arzneilich als Bittermittel bei Verdauungserkrankungen angewandt. Der bittere Geschmack beruht auf den Secoiridoidglycosiden Gentiopicrin und Amarogentin . Letztere ist eine der bittersten natürlichen Substanzen und wird daher in der Wissenschaft als Messstandard für bitteren Geschmack genutzt. Beim Menschen stimuliert Amarogentin vier Geschmacksrezeptoren. (Quelle: wikipedia)

Der getrocknete Wurzelstock und die Wurzeln von Enzian enthalten zwei bis drei Prozent Bitterstoffe, darunter Gentiopikrosid und das äußerst bittere Amarogentin. Weitere Inhaltsstoffe sind vor allem bitter schmeckende Zweifachzucker sowie geringe Mengen ätherisches Öl. 

Seit Jahrhunderten wird Enzian zur Herstellung von Schnäpsen verwendet. Beim Destillieren gehen die wirksamen Bitterstoffe jedoch nicht in das Destillat über, Enzian verleiht dem Getränk lediglich das charakteristische Aroma. Der gesundheitliche Nutzen der Heilpflanze ist deshalb beim Enzianschnaps nicht mehr vorhanden.

Im Gegensatz zu Destillaten enthalten alkoholisch-wässrige Auszüge die arzneilich wirksamen Bitterstoffe. Sie werden im Handel als "Magenbitter" oder "Kräuterbitter" vertrieben, die dann oft auch Auszüge anderer Bitterstoffpflanzen enthält, die ebenfalls die Magen- und Gallensaft-Sekretion anregen - wie 'Isländisch Moss', Wermut, Hopfen oder Anis. (Quelle: netdoktor.de)

Wirkungen

Die wesentlichen Wirksubstanzen sind die in der Droge enthaltenen Bitterstoffe. Diese führen über eine Reizung der Geschmackrezeptoren reflektorisch zu einer Anregung der Speichel- und Magensaftsekretion. Enzianwurzel gilt deshalb nicht als Amarum, sondern konsekutiv auch als Roborans und Tonikum. (Quelle: Impulse e.V.). In den beiden Fachbegriffen stecken schon ihre Wirkungen: Ein Tonikum ist ein Stärkungsmittel. Roboranzien wirken sogar noch stärker (Herleitung von Robust).

Pharmakologie

Die bitteren Substanzen regen die Geschmacksknospen an und führen reflektorisch über den Nervus vagus zum Speichel-, Magensaft- und Gallenfluss. Außerdem zeigen Enzianextrakte antimikrobielle und immunmodulierende Eigenschaften. Als Immunmodulation wird die Veränderung des körpereigenen Abwehrsystems durch pharmakologisch wirksame Stoffe bezeichnet. Dieses Verfahren wird auch eingesetzt, um ein überreagierndes Immunsystem zu dämpfen.

Anwendungsgebiete

Verdauungsbeschwerden wie Appetitlosigkeit, Völlegefühl, Blähungen.Nebenwirkungen. Bei besonders disponierten Personen ist gelegentlich ein Auftreten von Kopfschmerzen möglich. Wechselwirkungen mit anderen Mitteln. Keine bekannt. Gegenanzeigen: Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre.Arzneidroge

In der Apothekersprache wird Enzian als Arzneimittel als Gentianae radix (Enzianwurzel) bezeichnet. 

Quellen & Lesenswertes

#GESCHICHTE der HEILPFLANZEN (2) – Die ANTIKE – Griechen und Römer

In der Antike löste sich die Heilkunde und das Wissen über Heilpflanzen immer mehr von der Magie und Geisterwelt der alten Hochkulturen. Griechische und römische Gelehrte wie Hippokrates, Aristoteles, Dioskurides und Galenus legten mit ihren medizinischen Schriften, in denen sie auch Heilpflanzen erwähnten, den Grundstein für die abendländische Medizin.

Griechische Quellen

Hippokrates von Kos und die Säftelehre

Einer der bekanntesten Begründer der abendländischen wissenschaftlichen Medizin und ihrer Ethik war der griechische Arzt Hippokrates von Kos (um 460 bis 370 v. Chr.). Auf ihn geht auch der Hippokratische Eid zurück, den alle Ärzte leisten. Ein ursprünglich in griechischer Sprache verfasstes Arztgelöbnis, das als erste grundlegende Formulierung einer ärztlichen Ethik gilt. In den medizinischen Schriften, die auf ihn zurück gehen, der Corpus hippocraticum finden sich neben Anleitungen für die Verwendung pflanzlicher Arzneimittel auch die Grundlagen der Humoralpathologie, die Viersäftelehre. Er stellte ärztliches Handeln über die Wirkungskraft priesterlicher Worte und ordnete sie einem hohen ethischen Verantwortungsbewusstsein unter. Er gilt als Begründer der Medizin als Wissenschaft, insbesondere als auf umfangreichen Beobachtungen und Beschreibung von Krankheitssymptomen fußende Erfahrungswissenschaft. Von den ihm zugeschriebenen Schriften sind vor allem die Aphorismen verbreitet.

Hippokrates erkannte schon

“ Krankheiten befallen uns nicht aus heiterem Himmel, sondern entwickeln sich aus den täglichen kleinen Sünden wieder die Natur. Wenn diese sich gehäuft haben, brechen sie scheinbar auf einmal hervor.“

Ein Schüler Aristoteles – Theophrastus von Eresos

Nicht zu verwechseln mit Theophrastus Bombastus von Hohenheim, auch Paracelsus genannt. Der wirkte erst viele Jahrhunderte später. Theophrastus von Eresos auch Theophrast genannt, war ein Mitglied von Platons Akademie und folgte dann Aristoteles. Neben über 200 Schriften mit dialektischen, metaphysischen, moralischen und physikalischen Inhalts verfasste er um etwa 300 v. Chr. herum ein Werk über Pflanzen, die „De historia plantarum“ (Naturgeschichte der Pflanzen) und die „De causis plantarum“ (Vom Ursprung der Pflanzen). Über 500 Pflanzen stellte er zusammen mit ihren botanischen Charakteristiken, doch ohne therapeutische Inhalte. Für die Behandlung kranker Menschen galt damals: Zuerst das Wort (verbis), dann die Pflanze (herbis) und zuletzt das Skalpell (lapis). „Wenn jemand Gesundheit sucht, frage erst, ob er bereit sei, künftig die Ursachen der Krankheit zu meiden, erst dann darfst du ihm helfen„.

Plinius (links) überreicht Kaiser Titus ein Schriftband mit der Widmung seines Werks. Buchmalerei in einer Handschrift der Naturalis historia. Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut. 82.1, fol. 2v (Anfang des 13. Jahrhunderts)

Römische Quellen

Plinius der Ältere

In seinen Werk Naturalis Historia schreibt Gaius Plinius der Ältere (ca. 23-79 n.Chr.) über die Freigiebigkeit der Natur und erwähnt circa 1000 Pflanzen, davon unzählige mit ihren therapeutische Eigenschaften. In sein Werk flossen die Schriften von mehreren hundert antiken Autoren ein, darunter auch zahlreiche Berichte über den Gebrauch von Heilpflanzen. Er starb während des historischen großen Vesuvausbruch (Stichwort Pompeij) im Alter von 55 Jahren. Plinius der Ältere sollte nicht mit seinem Neffen Plinius dem Jüngeren verwechselt werden. Dieser überlieferte biografische Informationen über seinen Onkel und auch Angaben über dessen schriftstellerische Tätigkeit. In einem Brief an Baebius Macer zählt er dessen Schriften in chronologischer Reihenfolge auf. Darunter auch die Naturae historiarum libri triginta septem (Naturgeschichte, 37 Bücher), die auf ca. 77 n. Chr. datiert wurde.

Der römische Arzt Dioskurides

Zur gleichen Zeit verfasste der römische Arzt Dioskurides, der in der Epoche Neros lebte, um 60 nach Christus erstmals die Grundzüge der pflanzlichen Arzneimittellehre in seinem Werk “De Materia medica” zusammen. Etwa 1000 Heilmittel sind darin beschrieben, davon etwa 800 Heilkräuter. Dazu noch Arzneimittel tierischen Ursprungs, sowie Schwämme, Pilze, Mineralien und Weinsorten (!) Das Werk behielt seine Bedeutung bis ins 17. Jahrhundert, auch weil es für jede Pflanze eine Abbildung gab und neben den Anwendungen die Synonyme der Pflanzennamen in Griechisch, Latein und Ägyptisch beigefügt waren.

Galen und die Vier-Säfte-Lehre

Von großer Bedeutung war auch der Leibarzt des römischen Kaisers Marc Aurel, Claudius Galenus von Pergamon – auch Galen genannt. Er prägte mehr als alle anderen die Geschichte der Medizin der nächsten 1400 Jahre. Er war von griechischer Herkunft und lebte von 129 bis 199 n. Chr. Er verfasste hunderte medizinische Abhandlungen. Sein medizinisches Hauptwerk ist der ab etwa 175 entstandene Methodus medendi („Die therapeutische Methode“), es besteht aus 14 Büchern. Der Leitgedanke darin ist, dass alle Erscheinungen in der Natur und beim Menschen einen bestimmten Zweck erfüllen. Galen begriff den Menschen als eine Leib-Seele-Einheit, die von zwei Seiten beeinflusst wird, vom Spirituellen und von der Materie. Er nahm die in der Philosophie bzw. Naturphilosophie entwickelte Vier-Elemente-Lehre auf, wonach (das warme und trockene) Feuer, (die kalte und trockene) Erde, (die warme und feuchte) Luft und (das kalte und feuchte) Wasser in unterschiedlicher Zusammensetzung die Grundelemente allen Seins darstellen. Ebenso knüpfte er an die in der hippokratischen Medizin bereits in Ansätzen entwickelte Säftelehre an, welche den aus den vier Elementen entwickelten vier Körperssäften Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle jeweils die vier Qualitäten (Primärqualitäten) warm und feucht, kalt und feucht, warm und trocken und kalt und trocken zuordnete. Galen beschrieb damit die “Humoralpathologie” (lat. humor = Saft und pathologia = Lehre der Krankheiten). Das Verhältnis der Vier Säfte zueinander war von zentraler Bedeutung, eine Störung des Gleichgewichts führte zu Unwohlsein und Krankheit. Aufgabe des Arztes war das Gleichgewichst wieder herzustellen. Ein ähnliches Prinzip gibt es auch in der chinesischen Medizin von Yin und Yang, wie auch in der uralten indischen Heilslehre des Ayurveda.

Kräuter im Marschgepäck der Römer

Die Römer profitierten vom Kräuterwissen der Ägypter und Griechen sowie der unterworfenen Völker und schätzen die Heilpflanzen und Würzkräuter so sehr, dass sie sie im Marschgepäck mitführten und so zu ihrer Verbreitung in ganz Europa beitrugen. In Großbritannien schätzt man die Anzahl der von den Römern eingeführten Kräuter auf etwa zweihundert.

Auf ihren Eroberungszügen nördlich der Alpen brachten sie ihre Kräuter, Gemüse, Wein, Feldfrüchte – und vor allem ihr Wissen über den Anbau dieser mit und führten es in Süddeutschland und in den sogenannten germanischen Gebieten bis zum Limes hin ein. Die Alamannen übernahmen die Kunst des Gartenbaus von den Römern und führten sie nachweislich weiter, wie archäobotanische Funde zeigten – bis Karl der Große schließlich in seiner Landverordung ‚Capitulare de Villis‘ den Landbau und die Gartenkultur nicht nur schriftlich festhielt, sondern auch dafür sorgte, dass sich eine umfangreiche Klosterkultur mit Heilkräuter-, Obst und Nutzpflanzengärten entwickelte.

Kloster Reichenau. Bild: (c) Ute Mangold / wiesengenuss

Die Heilpflanzen und Gärten der Römer nördlich der Alpen

Kräuter, Gewürze und Heilkräuter der Römer

Als reine Wildpflanzen kamen bei den Römern Brennnessel, Löwenzahn, Gänsedistel und Ringelkraut auf den Tisch. (Die Quelle ‚Roemershop‘ gibt leider nicht an, ob es sich um Ringelblume, Wegwarte oder Bingelkraut (Mercurialis perennis) handelt. Da letzterer giftig ist, schließe ich ihn aus). Wie die unzähligen Kräuter aus der Dinglinger Ausgrabung (siehe nächstes Kapitel), waren die Römer auch bekannt für den Anbau von Kräutern wie Petersilie, Minze, Thymian, Dill und viele Heilkräuter.

Ein antiker Garten in Südbaden mit römischen Gemüsen und Heilkräutern

Am Beispiel einer Fundstätte im südbadischen Lahr-Dinglingen, einem gallo-römischen Vicus entlang einer Heer- und Handelsstraße des Imperium Romanum, konnte aufgezeigt werden, welche Kräuter, Pflanzen und Gemüsearten jenseits der Alpen angebaut wurden. Sie lassen Rückschlüsse auf das Leben der Römer im 1. Bis 3. Jahrhundert nach Christus zu. Ein vicus (Plural: vici) war eine Siedlung mit kleinstädtischem Charakter in den nördlichen Provinzen des Römischen Reichs.

Es wurden Hinweise auf Sellerie als weit verbreitete Gemüseart gefunden, weniger häufig die Runkelrübe und Gemüsekohl. Und hier zeigt sich, schon die Römer liebten Hülsenfrüchte wie Erbse, Ackerbohne, Salat-Platterbse und die uralte Linse, denn die wichtigen Eiweißquellen, wenn es zu wenig Fleisch gab, waren häufiger zu finden. Feldkohl, Leindotter, Lein, Hanf und Schlafmohn zählten zu den Öl- und Faserlieferanten. Als Blattgemüse kamen Mangold, Schildampfer und eventuell auch Giersch auf den Tisch. Obstarten waren Apfel, Birne, Pflaume, Kirsche, Pfirsich und auch Maulbeere, Mandel, Walnuss, Esskastanie, Feige und natürlich die Weintraube. Auch viele heute noch heimische Sträucher wie Haselnuss, Schlehe, Hagebutte, Holunder, Brombeere, Himbeere und Heidelbeere konnten nachgewiesen werden.

Die Lahrer Liste

In der sogenannten „Lahrer Liste“ finden sich auch unzählige Gewürz- und Heilpflanzen wie Fenchel, Koriander, Kümmel, Wachholder, Hopfen und die heute eher unbekannte Gartenraute, auch Weinraute (Ruta graveolens) genannt. Und sogar Pfeffer wurde gefunden! Die Liste mit etwa 370 Pflanzen wurde von Apothekern untersucht, die einige heute noch in der Pharmazie bedeutende Heilpflanzen fanden. Darunter Schafgarbe, Hirtentäschel, Thymian, Brennnessel, Schöllkraut, Wilde Malve, Spitzwegerich und die herzwirksame Waldpflanze Roter Fingerhut (Digitalis). Und viele viele mehr fanden die Archäologen oder besser Archäobotaniker im Lahrer vicus. Insgesamt wurden in 59 Proben und über 8.975 Pflanzenreste isoliert und bestimmt.  

Außer diesen hier gefundenen Pflanzen kultivierten die Römer noch eine breite Palette von weiteren Gemüsesorten, darunter Allium die Laucharten, Wurzelgemüse wie Rettich, Karotten, Pastinaken und köstliche Blüten wie die Artischocken und dazu noch Gurken und den uralten Flaschenkürbis, der so tolle Gefäße lieferte.

Wiener Dioskurides Prason. Bild: Autor/-in unbekannt.Unknown author, Public domain, via Wikimedia Commons