Geschichte der Heilpflanzen (4) – Hildegard von Bingen, Alchemisten und Paracelsus

Hildegard von Bingen, aus Planet Wissen, Klostermedizin https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/medizin/klostermedizin/hildegard-von-bingen-100.html

Hildegard von Bingen und die Volksheilkunde

Die Rupertsberger Äbtissin Hildegard von Bingen schrieb zwischen 1150 und 1160 ihre medizinischen Werke „Physica„(Arzneilehre) und „Causae et curae“ (Krankheitslehre). Sie finden bis in unsere heutigen Tage in der Naturheilkunde Verwendung!

Bekannt geworden ist sie für ihre visionären Kräfte, die sie in der Behandlung einsetzte. Sie verwendete neben orientalischen Pflanzen wie Bertram und Galgant viele heimische Pflanze und nutzte deutsche Pflanzennamen.

Hildegard von Bingen lebte von 1098 bis 1179 und gilt als erste Vertreterin der deutschen Mystik des Mittelalters. Ihre Werke befassen sich unter anderem mit ReligionMedizinMusikEthik und Kosmologie. Sie war auch Beraterin vieler Persönlichkeiten. Mit ihren beiden natur- und heilkundlichen Werken gilt sie als „Deutschlands erste schriftstellernde Ärztin“.

Hildegard von Bingen empfängt eine göttliche Inspiration und gibt sie an ihren Schreiber, den Mönch Vollmar, weiter, Frontispiz des Liber Scivias aus dem Rupertsberger Codex (um 1180), Tafel 1
Hildegard von Bingen empfängt eine göttliche Inspiration und gibt sie an ihren Schreiber, den Mönch Vollmar, weiter, Frontispiz des Liber Scivias aus dem Rupertsberger Codex (um 1180), Tafel 1 – Quelle wikipedia

Die Leistung Hildegards liegt unter anderem darin, dass sie das damalige Wissen über Krankheiten und Pflanzen aus der griechisch-lateinischen Tradition mit dem der Volksmedizin zusammenbrachte. Sie entwickelte eigene Ansichten über die Entstehung von Krankheiten, Körperlichkeit und Sexualität. Eigene medizinische Verfahren entwickelte sie nicht, sondern trug lediglich bereits bekannte Behandlungsmethoden aus verschiedenen Quellen zusammen. Hildegards Krankheitstheorie ist der antiken Viersäftelehre sehr ähnlich, nur mit abweichenden Bezeichnungen. Causae et Curae beinhaltet viele sehr direkte Anweisungen, die jeweils nach Symptomen geordnet sind. Sie sind daher auch für medizinische Laien gut zu gebrauchen.

Aus eigenen Beobachtungen beschrieb sie in der „Physica“ 230 Kräuter und deren Wirkung. Auch 63 Bäume sowie Reptilien, Vögel, Fische, Steine und Heilerden hat sie beschrieben.

Alchemisten, Ärzte und Apotheker

Neben den Klöstern waren es vor allem Alchemisten und Ärzte, die sich um die medizinische Versorgung der Menschen kümmerten. Eher Heil „praktisch“ arbeiteten die sogenannten Bader, sie waren zum Beispiel für das Zähne ziehen, das meist auf Märkten oder Jahrmärkten öffentlich veranstaltet wurde, zuständig. Die ersten Apotheker, so wie man sie heute kennt, traten erstmals vor ungefähr 800 Jahren auf. Um 1240 erließ der Stauferkaiser Friedrich II die sogenannte ‚Constitutiones‘, eine Medizinalverordnung, die eine tiefgreifende Reformation des damaligen Gesundheitswesens zur Folge hatte. Hier wurde zwischen den Ärzten, die Behandlungsvorbehalt hatten und Apothekern unterschieden, die die Erlaubnis zur Herstellung und Abgabe von Arzneimitteln hatten. Viele Pflanzen führen ein „officinalis“ in ihren Namen, was darauf hindeutet, dass sie seit Jahrhunderten im „Offizium“, dem Labor des Apothekers verarbeitet wurden.

Heilerinnen und Hexen

Auch aus dem Volk gab es viele heilkundige Menschen, die das Erfahrungswissen weiter trugen. Sie galten als medizinische Laien, die sich jedoch mit Erfolg um die Gesundheit der Bevölkerung kümmerten. Die weisen Frauen waren der Kirche jedoch suspekt, da sie als Hebammen und Kurpfuscherinnen über Leben und Tod entscheiden konnten, sprich über Empfängnis, Verhütung und Abtreibung. Während der Inquisition kam es zu einer gnadenlosen Verfolgung der Kräuterhexen. Als Folge davon ging jahrhundertealtes Wissen aus der Volksheilkunde verloren. Auch der Verlust an direkter intuitiver Wahrnehmung ohne den Umweg über den Verstand. Beispielsweise auch das magische Wissen der Signaturenlehre.

Ein empfehlenswertes Buch "Heilerinnen im Mittelalter", leider nur noch gebraucht zu kaufen.

Buchbeschreibung: „Seit Menschengedenken hüten Frauen die Geheimnisse um das Wohl des Menschen: Sie waren Pflegerinnen, Ratgeberinnen, Hebammen und Heilkundige in einer Person und genossen hohes Ansehen. Sie kannten sich mit Heilkräutern aus, wussten die besten Standort seltener und begehrter Exemplare und waren damit vertraut, wann gepflückt werden musste, damit diese ihre magische Kraft am besten entfalten konnten. Als Hebammen beherrschten sie die Möglichkeiten der Geburtenkontrolle und wussten um die natürlichen Mittel zur Abtreibung oder Schwangerschaftsverhütung. Weise Frauen hießen sie im Volksmund.

Die „Ärztinnen des Volkes“ waren im Mittelalter die wichtigsten Ansprechpartner, wenn es um Krankheit, Liebeskummer oder ums Kinderkriegen ging. Ihnen vertraute man viel mehr als den männlichen Ärzten, meist Kleriker, denen es untersagt war, sich mit dem Frauenkörper intensiv zu beschäftigen. Der Glaube an die Kraft der Natur und das Vertrauen in die heilende Wirkung der Kräuter – und nicht in den christlichen Gott – wurden vielen Frauen zum Verhängnis. Sie wurden der Ketzerei verdächtigt, und ihre Heilkunst galt, weil sie zu undurchsichtig war, als Hexenwerk. Im Zuge der Hexenverfolgungen gerieten sie, wie viele andere, in Misskredit und waren zum Teil grausamen Verfolgungen ausgesetzt.“
(Das Buch stammt aus meinem Archiv: Leider ist es nur noch gebraucht zu kaufen)

Hexenverfolgungen – eine unbelegte These?

Mit den Hexenverfolgungen hätten Kirche und Obrigkeit das Wissen der Bevölkerung über Geburtenkontrolle und damit die weisen Frauen und ­Hebammen vernichten wollen, um die Bevölkerungszahlen ansteigen zu lassen – so die These der beiden Wissenschaftler Gunnar Heinsohn und Otto Steiger. Allein durch die Pest von 1348 bis 1352 starben rund 25 Millionen Menschen – ein Viertel der Bevölkerung Europas. Wo die Pest gewütet hatte, waren ganze Landstriche menschenleer. Doch schon in den Jahren 1315 bis 1318 führten kalte und regnerische Jahre zu Missernten und damit zu Hungersnöten. Außerdem wirkten sich Kriege, wie der furchtbare 30-jährige Krieg von 1618 bis 1648, negativ auf das Bevölkerungswachstum aus. Konkret gesagt: Überall fehlten Arbeitskräfte, vor allem auf dem Lande, das sich zum größten Teil im Besitz des Adels und der Kirche befand. Für die These der beiden Wissenschaftler fehlen konkrete Beweise, eindeutige Dokumente oder Aussagen von historischen Persönlichkeiten. Viele Wissenschaftler widersprechen ihr. Auch der Begriff der »weisen Frau« ist fragwürdig und in der frühneuzeitlichen Literatur nicht zu finden. Vielmehr wird dort von der »Hebamme« und der »ehrbaren Frau« gesprochen. Quelle: PTA Forum – Die Geschichte der weisen Frauen

Renaissance und Humanismus

Mit dem Aufkommen des Renaissance-Humanismus wurde der theologische Einfluss auf die Medizin schwächer, lebte aber zum Beispiel in Form der Pestblätter bis in die Inkunabelzeit und danach weiter. Die therapeutische oder prophylaktische Anwendung von Magie, etwa in Form von Zaubersprüchen, und Gebeten oder Segen, war bis in die Renaissance (in Volksmedizin) verbreitet. Das Wissen über die Pflanzenheilkunde wurde im ersten gedruckten Kräuterbuch in deutscher Sprache, dem Gart der Gesundheit (1485) weitergegeben. Die Väter der Botanik korrigierten und erweiterten dieses Wissen ab dem 16. Jahrhundert. Zu den ersten deutschsprachigen Medizinwerken gehören unter anderem[71] das Arzenîbuoch Ipocratis (um 1200), das Innsbrucker (Prüller) Kräuterbuch (12. Jahrhundert), eine Übersetzung der Capsula eburnea vom Anfang des 14. Jahrhunderts, das Arzneibuch des Ortolf von Baierland und für den mittelniederdeutschen Bereich die Düdesche Arstedie (enthalten im Gothaer Arzneibuch[72]) aus dem 14. Jahrhundert.[73] Mit der langsamen Abkehr von der dogmatischen Humoralpathologie entwickelte sich nach und nach die moderne Medizin. Galens Auffassungen vom Fluss des Blutes wurden jedoch erst im 17. Jahrhundert durch William Harvey und Marcello Malpighi und teils gegen erhebliche Widerstände revidiert. Das öffentliche Verbrennen der Bücher von Galen und Avicenna durch Paracelsus hatte unmittelbar keine Auswirkungen. Komplett abgelöst wurde die Humoralpathologie schließlich im 19. Jahrhundert durch die Zellularpathologie. (Quelle: wikipedia)

Die Lehre von der Signatur und die spätere Spagyrik

Paracelsus führte zur Signatur an:
„Die Natur zeichnet jedes Gewächs, das von ihr ausgeht zu dem, dazu es gut ist. Darum, wenn man erfahren will, was die Natur gezeichnet hat, so muss man es an dem Zeichen erkennen, was Tugenden in ihm sind. „

In Europa geht die Signaturenlehre auf Paracelsus und den neapolitanischen Arzt und Alchemisten Giambattista della Porta (1538–1615) zurück. Dieser hat in seinem Buch Phytognomonica (eine „Physiognomik der Pflanzen“) anhand von Signaturen ein System von Zusammenhängen zwischen Pflanzen, Tieren und Gestirnen aufzeigt.

Er beschrieb die Pflanzen und ordnete ihnen aufgrund ihrer “Signi” imaginäre Ursprünge und einen medizinischen Wert zu.
„Er stellte eine Verbindung her zwischen Farben und Formen von Blüten, Blättern, Rinden, Wurzeln und Früchten und ihren Ähnlichkeiten mit Organen und Körpersäften. Auch Bodenbeschaffenheit, Geruch, Geschmack, Wachstumsphase, Lebensdauer oder schlicht die Gestalt der Pflanze beachtete er. Hierbei hatte er stets das Universum im Blick – und die Entsprechungen zwischen oben und unten, zwischen Himmel und Erde, zwischen den Planeten und den Menschen. (Quelle: Spagyrische Baumessenzen, Martina Schneider, Natur & Heilen 8/2023)

Man dachte damals also, dass die Erscheinung einer Pflanze, ihre Farbe, ihr Geruch und ihr Standort anzeigen müssten, welche Krankheit mit ihrer Hilfe zu heilen sei. Hier einige Beispiele: Kräuter gegen Gelbsucht haben gelbe Blüten wie die Ringelblume, der Löwenzahn und das Leinkraut. Schöllkraut enthält in den Stängeln einen rotbraunen ätzenden Saft, was auf die Farbe der Galle hindeutet. Daher kam es bei Beschwerden der Galle, wie z.B. Koliken in Frage. In der Tat ist eine krampflösende Wirkung auf die Gallenwege wissenschaftlich erwiesen. [mehr dazu….]

Die Theorie ließ sich nicht (ganz) aufrechterhalten, weil sie so viele Ausnahmen zuließ. Die kurze Herrschaft der Signaturenlehre dauerte 100 Jahre. Sie erreichte ihren Höhepunkt im 17. und 18. Jahrhundert, bevor sie durch die Systematik Carl von Linnés und die Erkenntnisse der modernen Chemie abgesetzt wurde.

Doch später im 19. Jahrhundert wurde die Lehre von der Signatur zum einen von Hahnemann in der Homöopathie im Sinne von „Ähnliches mit ähnlichem heilen“ und in der Spagyrik nach Carl Friedrich Zimpel (1801 bis 1879) wieder aufgegriffen. Zimpels spagyrisches Heilsystem fußte auf den Thesen Paracelsus‘. Auch heute findet sie in der Komplementär Medizin noch Anwendung. Der Begriff ‚Spagyrik‘ stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Trennen und Zusammensetzen. Pflanzen, die zu spagyrischen Produkten verarbeitet werden, werden vergärt, destilliert, verascht und extrahiert und dann als Essenzen angesetzt. Ein äußerst zeitaufwändiger Prozess.

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Fortsetzung folgt in Teil 4 (noch in Arbeit…)

Lese auch Teil 1 – Geschichte der Heilpflanzen (1) – Von der Steinzeit bis zur Antike

und Teil 2 Geschichte der Heilpflanzen (2) – Avicenna, Mittelalter und Klostermedizin


#GESCHICHTE der HEILPFLANZEN (3) – Avicenna, Mittelalter und Klostermedizin

Bild eines Klostergartens. Oberrheinischer Meister: Das Paradiesgärtlein, um 1420 Link zu wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Klostergarten

Das Antike Wissen ging beinahe verloren

Die Schriften Hippokrates, Dioskurides und Galens waren mehr oder weniger unverändert durch die Jahrhunderte beibehalten und weitergereicht worden. Sie waren die Grundlagen des gesamten damaligen medizinischen Wissens des Abendlandes.

Doch es stand vor dem Untergang. Das weströmische Reich wurde von unterschiedlichen Germanenstämmen eingenommen, denen die antike Geisteswelt fremd war. Und schließlich wurde auch noch im Zuge der Christianisierung der oströmischen Kaiser 529 n.Chr. durch Justinian I. das gesamte antike Wissen für heidnisch erklärt! Eine Katastrophe, denn alle Bibliotheken – wie die berühmteste und umfangreichste in Alexandria – gingen in Flammen auf und die Philosophieschulen geschlossen.

Philosophen, Wissenschaftler und Ärzte gingen ins Exil und fanden mit ihren geretteten Resten der antiken Literatur in Syrien und Persien eine neue Wirkstätte. So konnten sie in der islamischen Welt das Erbe des klassischen europäischen Geistes weiter pflegen. Um 800 n.Chr. verfasste Mesuë der Ältere (✝ 857) ein Traktat über einfache und zusammengesetzte Arzneien, das bis ins 17. Jahrhundert die Medizin und Pharmazie beeinflusst hat. Er gehört damit zu den Vertretern der ersten Periode der arabischen Medizin.

‚Ex oriente Lux‘ – Von Avicenna bis zu den Mauren

Sowohl der Perser Rhazes (865-925), der unter anderem das riesige Werk Galens strukturierte und übersetzte, als auch der berühmte islamische Arzt Avicenna (Ibn Sīnā 980-1037) erweiterten das medizinische Wissen des europäischen Altertums. Avicenna zählt zu den berühmtesten Persönlichkeiten seiner Zeit er tauschte sich philosophisch mit dem berühmten Gelehrten al-Bīrūnī aus und galt bis weit ins 16. Jahrhundert als medizinisch-philosophische Autorität. Er hat insbesondere die Geschichte und Entwicklung der Medizin maßgeblich mitgeprägt. SeinCanon medicinaeblieb bis ins 17. Jahrhundert eins der wichtigsten Lehrbücher.

Avicenna (Ibn Sina) Orientalisches Bild aus dem Mittelalter von Autor/-in unbekannt - http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Avicenna-Miniatur.jpg, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4925110
Von Autor/-in unbekannt – http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Avicenna-Miniatur.jpg, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4925110

Während der Zeitspanne von 500 bis 1000 n.Chr. wurde so die islamische Medizin von der Antiken Geisteswelt inspiriert und kehrte von dort wieder zurück nach Europa. Den Anfang machte Constantinus Africanus (ca. 1020-1087), ein nordafrikanischer medizinischer Forscher aus Karthago. Er war Fachautor, Übersetzer und Laienbruder des Benediktinerordens. Ihm fiel bei einem Besuch des Klosters Salerno mangelnde medizinische Kenntnisse und Fähigkeiten der dort wirkenden Mönchsärzte auf. Daraufhin sammelte er in seiner arabischen Heimat alle ihm erreichbare medizinische Literatur, kehrte mit dieser nach Salerno zurück und gründete um 1058 die berühmte Ärzteschule von Salerno. Ihre Blütezeit hatte die Medizinschule von Salerno und damit die Salernische Heilkunde etwa von 1100 bis 1180. Im 13. Jahrhundert war sie als einzige Medizinschule im Königreich durch Friedrich II. offiziell anerkannt. Aus der Schule von Salerno ging die von etwa 1150 bis 1300 bestehende scholastische Medizin hervor.

Weitere Beispiele für das ‚ex oirente lux‘ (lat.: „Aus dem Osten kommt das Licht“) sind die Gründungen der ersten europäischen Universitäten in Portugal und Spanien durch die Mauren im 12. Jahrhundert.

Klöster die Hüter des medizinischen Wissens

In Mitteleuropa erwiesen sich die Klöster als die Hüter von Kunst und Wissenschaft. Nahezu 500 Jahre lang war das Studium, die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben, nur in Klöstern erlernbar. Bald entstanden in den Klosterschulen und Bibliotheken von unschätzbarem Wert. Durch das benediktinische Gebot der Arbeit ‚ora et labora‚ mehrten die Klöster ihr Wissen und setzen es gleichzeitig für ihren Erhalt ein.

Die Klöster wurden mächtig und reich. Auch durch die sie umgebende Landwirtschaft. Die Bauern lieferten einen Teil ihrer Ernte bei den Klöstern ab. Mönche rodeten Wälder, machten die Flächen urbar und erfanden neue Methoden des Ackerbaus. Zudem legten sie in ihren Mauern spezielle Gärten für Gewürze und Heilkräuter an – Klostergärten der Grundstock für die Klostermedizin.

Mönche und Nonnen schufen so die Grundlagen der modernen Medizin. Sie verbanden die Lehre von Heilkräutern, Arzneipflanzen, der Ernährung und des christlichen Glaubens zu einer ganzheitlichen Medizin. In den Klostergärten wurden nicht nur Kräuter für den Eigenbedarf angebaut, sondern auch zur Behandlung von Kranken aus der Umgebung. Viele Klöster betrieben auch schon spezielle Hospitäler und Siechenheime.

Benedikt von Nursia und Karl der Große

Die Ursprünge der Klostermedizin beginnen in den frühesten Zeiten der Klostergeschichte. Das Mönchstum erlangte durch Benedikt von Nursia und seine Klostergründung von Monte Cassino um etwa 529 weltgeschichtliche Bedeutung. Der Gründervater des Benediktinerordens verpflichtete die bisher wandernden Mönche zur Beständigkeit (stabilitas). Seine Ordensregel („Regula Benedicti„) durchdrang alle Bereiche des klösterlichen Lebens und wurde Vorbild für die abendländischen Klöster.

Von den Kräuterkenntnissen auf dem Monte Cassino gegründeten Benediktinerordens lernten viele andere Orden sowie kein geringerer als Karl der Große (748 – 814 n. Chr.).

Seine Landgüterverordnung, die „Capitulare de villis“ ist eine detaillierte Vorschrift über die Verwaltung der Krongüter. Der Zeitraum der Entstehung ist umstritten, die Datierung reicht von 770–813. Das Capitulare de villis schreibt die Dreifelderwirtschaft, den Weinbau, die Obstpflege, die Zucht von Hausvieh und Herdenvieh, Pferden, Rindern, Schafen, Schweinen, Ziegen, Bienen, Fischen bis ins einzelne als Bestandteile vorbildlicher Musterwirtschaften vor. Auch sorgte Karl der Große für einen verstärkten Anbau von Würzkräutern und Heilpflanzen als er eben diese Pflanzen in die Verordnung aufnahm. Im 70. Kapitel sind 73 Nutzpflanzen (einschließlich (Heil)kräutern) und 16 verschiedene Obstbäume genannt. Diese sollen die Verwalter in allen kaiserlichen Gütern anpflanzen, wenn es die klimatischen Gegebenheiten zu ließen.

Die Verordnung greift auch auf noch vorhandenes Wissen über die römische Landwirtschaft zurück. Der Erlass über die Krongüter sollte die Versorgung Karls des Großen und seines großen Hofes sichern, der sich laufend auf Reisen befand. Es galt, die königlichen Pfalzen mit entsprechenden Vorräten auszustatten.

Bild einer mittelalterlichen Klosteranlage mit Klostergarten. Historisches Bild von Autor/-in unbekannt - http://www.denkmalpflege-bw.de/fileadmin/media/publikationen_und_service/nachrichtenblaetter/2004-03.pdf#page=32, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=41939983
Von Autor/-in unbekannt – http://www.denkmalpflege-bw.de/fileadmin/media/publikationen_und_service/nachrichtenblaetter/2004-03.pdf#page=32, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=41939983

Der ideale Klostergarten und die Klostermedizin

Walafried Strabo, ab 838 Abt des Klosters Reichenau, nennt in seinem Lehrgedicht über den Gartenbau (‚Hortulus‚ von 1510 ) 23 Gartenpflanzen der Reichenauer Beetanlage und bringt sie mit der christlichen Heilslehre in Verbindung. Das 724 von Pirminius gegründete Kloster war eines der bedeutendsten Klöster der karolingischen Zeit.

Die Mönche vertieften in klostereigenen Gärten ihre Studien in Medizin und Kräuterheilkunde und gaben ihr Wissen innerhalb des Klosters weiter. In der Stiftsbibliothek St. Gallen sind fünf zusammengenähte, handbeschriebene Pergamentstücke aufbewahrt. Auf ihnen ist der Plan einer idealen Klosteranlage verzeichnet ist, der Sankt Gallener Klosterplan. Die Aufzeichnung diente fortan vielen Klöstern als Modell für die Anlage der Kräutergärten. In den länglichen rechteckig angelegten Beeten haben die Mönche jeweils nur eine Pflanze kultiviert. Damit konnte die Reinheit des Krauts gewährleistet und Verwechslungsgefahr vermieden werden.

Lorscher Arzneibuch und Macer floridus – erste handgeschriebene Werke der Mönche

Ihr Wissen über die Heilpflanzen schrieben die Mönche nieder. Umfangreiche klostermedizinische Werke entstanden. Zur Zeit Karl des Großen, im 8.Jahrhundert wurde im Kloster Lorsch das medizinische Wissen im „Lorscher Arzneibuch“ niedergeschrieben.

Das Lorscher Arzneibuch ist eine umfangreiche, in Lorsch verfasste medizinische Handschrift aus der Zeit Karls des Großen, entstanden wahrscheinlich um 785. Es ist das älteste erhaltene Buch zur Klostermedizin aus dem abendländischenFrühmittelalter bzw. das älteste erhaltene medizinische Buch Deutschlands.[1] Geschrieben wurde das 482 Rezepturen enthaltende Arzneibuch unter benediktinischerÄgide in lateinischer Sprache im Kloster Lorsch (heute Kreis BergstraßeHessen), wohl unter Richbod, dem Abt der Reichsabtei.[2] Seit ca. 1000 Jahren befindet es sich in Bamberg und wird heute in der Staatsbibliothek Bamberg (Signatur des Bamberger Kodex: Msc.Med.1; alte Signatur: L.III.8) verwahrt. Am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg wurde von Ulrich Stoll und Gundolf Keil die Handschrift in einem dreijährigen Projekt bis 1989 faksimiliert, ediert und ins Deutsche übersetzt. Seit Juni 2013 gehört das Lorscher Arzneibuch zum UNESCOWeltdokumentenerbe.[3][4] Das Lorscher Arzneibuch ist als planmäßig angelegtes heilkundliches Kompendium das älteste deutsche Arzneibuch.[5] (Quelle: wikipedia – Lorscher Arzneibuch)

Später im 11. Jahrhundert verfasste der Mönch Odo de Meung den „Macer floridus„, ein Standardwerk der Kräuterheilkunde. Es fand überall in Europa Verbreitung.

Macer floridus, auch De viribus herbarum, ist ein von Odo Magdunensis (= Odo von Meung)[1] verfasstes, früher Aemilius Macer namensgebend zugeschriebenes, Lehrgedicht über die gebräuchlichsten Heilkräuter in der Form der lateinischen Hexameter. Es entstand um 1065[2][3] in Westfrankreich, wurde in viele Sprachen übersetzt und galt im Mittelalter im mitteleuropäischen Raum als Standardwerk der Kräuterheilkunde. (Quelle: wikipedia)

Vom Klostergarten zum Bauerngarten

Die Klostermedizin befand sich vom 10. bis zum 13. Jahrhundert auf ihrem Höhepunkt. Jahrhundertelang hüteten und vertieften Mönche das medizinische Wissen und die Geheimnisse der Heilpflanzen in ihren Bibliotheken. Erst die Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert ebnete den Weg für die weitere Verbreitung ihrer Kenntnisse. Fortanlegten Adel und Ritter nach dem Beispiel der Klostergärten ihre Burggärten an.

Auf dem Lande entstanden Bauerngärten, in den Städten verbreiteten sich die Pfarr- und Apothekergärten. Das Wissen der Mönche über Arzneipflanzen und deren Wirkungen ebnete den Weg von der medizinischen Grundversorgung zur Entwicklung der heutigen Schulmedizin.

Bild eines Klostergartens. Oberrheinischer Meister: Das Paradiesgärtlein, um 1420
Link zu wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Klostergarten
Bild eines Klostergartens. Oberrheinischer Meister: Das Paradiesgärtlein, um 1420 Link zu wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Klostergarten

Forschergruppe Klostermedizin

In Deutschland hat sich eine kleine Schar von Wissenschaftlern zum Ziel gesetzt, die Schätze der klösterlichen Heilkunde zu heben. Ihren Sitz hat die Forschergruppe „Klostermedizin am Institut für Geschichte der Medizin in Würzburg. An dem Projekt arbeiten Mediziner, Botaniker, Chemiker, Pharmazeuten und Historiker. Zum ersten Mal wurden die alten Erkenntnisse der Mönche und Heilkundler systematisch erfasst und wissenschaftlich aufbereitet.

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Lies auch: Geschichte der Heilpflanzen (1) – Von der Steinzeit bis zur Antike

Und: Geschichte der Heilpflanzen (4) – Hildegard von Bingen, die Alchimisten und die Signaturenlehre Paracelsus‘

#Weinreisen – „Kräuter & Alte Reben“ mit Andreas Durst im Portugieser

Ein Portugieser, der nach Waldboden riecht und nach Kirsche schmeckt. Alte Reben auf massivem tertiärem Kalk. Ein Weinberg mit Kräutern und Heilpflanzen. Zu Besuch im Kindenheimer Vogelsang bei Andreas Durst, Winzer und Fotograf

Wir stehen im Vogelsang in der Nähe von Grünstadt, bei Bockenheim, wo die Pfälzer Weinstraße ihr nördliches Ende hat. Nordöstlich sehen wir Flörsheim-Dalsheim, Weinleuten bekannt über renommierte Weingüter wie Keller, Raumland und auch Naturweinpioniere wie Bianca und Daniel Schmitt. An guten Tagen kann man sogar bis in den Taunus blicken. Im Osten liegt Heidelberg, der Blick schweift über Mannheim-Ludwigshafen und seinen BASF Türmen – zum Odenwald. Im Süden Karlsruhe und dahinter der Schwarzwald. Bis hin zur Hornisgrinde kann man blicken. Und hinter uns im Westen das Zellertal, mit dem Donnersberg als markanten Berg am Ende des Tals.  

„Die Lage Kindenheimer Vogelsang ist eine gesteinsreiche und gut durchlüftete Höhenlage mit kühlenden Winden, die auf circa 200 Meter (NHN) liegt.“

Alte Reben, Kalk, Heilpflanzen: Andreas Durst in der Kindenheimer Lage Vogelsang. Portugieser Alte Reben. Reben schneidend. Kräuter und Heilkräuter sind zu sehen.
Andreas Durst in der Kindenheimer Lage Vogelsang. Portugieser Alte Reben. Foto: Ute Mangold, Autor

Hier wächst der Portugieser „Alte Reben“. So einen Weinberg hat man noch nicht gesehen!! Der gehört eigentlich unter Denkmalschutz. Wie knorrige Bäume liegen sie da die ururURalten Reben. Wurzelecht. Einzigartig die alten Knorzen und zwischen ihnen wachsen seltene Heilpflanzen wie die Mariendistel mit ihren weißgeaderten Blättern.

Mariendistel und Steppenpflanzen

Cardui mariae lautet ihr Name als Heilpflanze. Sie gehört zu den schönsten und größten Disteln und blüht von Juni bis August.  Ihren Namen ‚mariae‘ erhielt die Pflanze nach der alten Legende, dass die weißen Streifen auf ihren Blättern von der Milch Marias herrühren sollen. Als Arzneipflanze wurde sie bereits vom Dioskurides geschätzt, ein griechischer Arzt aus dem 1. Jahrhundert, der Epoche des Kaiser Nero. (Siehe auch Geschichte der Kräuter und Heilpflanzen). Und da ist auch ihre eigentliche Heimat, im Mittelmeerraum, in Südeuropa, Kleinasien und Nordafrika.

Alte Reben, Kalk, Heilpflanzen: Die Blattrosette einer Mariendistel in der Weinlage Vogelsang. Portugieser Alte Reben.
Die Blattrosette einer Mariendistel in der Weinlage Vogelsang. Portugieser Alte Reben. Foto: Ute Mangold, Autor

Direkt angrenzend liegt das Zellertal. Das Tal mit der mediterranen Flora und Steppenpflanzen. Dort habe ich schon mal kartiert für Wildkräuterwanderungen, die ich dort veranstaltet mit befreundetet Winzerinnen. Trocken und von sanften Winden durchflutet ist das Tal. Der sagenumwobene Donnersberg (Thonarsberg) schützt vor strengeren Westwindwetterlagen. Und damit auch vor Regen, mit der Folge, dass es mit unter 400 mm sehr trocken ist. (Zum Vergleich hier in Südbaden haben wir um die 800 mm Regen). Mittelmeerpflanzen wie Sichelmöhre, Färberwaid und Heilpflanzen wie die bei uns seltene Mariendistel wachsen im Zellertal.

Humus- und Handarbeit

Und auch im „Portugieser“ von Andreas Durst. In diesem alten Weinberg fühlt er sich wie ein Gärtner, so erzählt er. Hier kann man nicht mit einem Traktor reinfahren, nicht einmal mit einem Pferd. Massiver schwerer Kalkfels liegt hoch an. Hochverdichteter Boden, darauf eine geringe Humusauflage. Da stand erstmal Bodenarbeit an. Mit der Hacke hat er ihn aufgebrocken, mit dem Spaten geschwartet. Pferdemist und Kompost aufgefahren, homemade. Alles Handarbeit. Das hat sich gelohnt! Der Boden wurde lockerer, der Humusanteil wuchs. Die Dürren der letzten Jahre im Sommer überstand der Portugieser gut.

Doch tief wurzeln müssen sie hier, die alten Reben. Im Oberboden ist nicht viel zu finden. Löss Lehm mit einer geringen Humusauflage. Darunter steht das Gestein an. Tertiäre Kalke. Von der Gesteinsgeschichte etwas jünger als Muschelkalk. Und diese sorgen auch für das außergewöhnliche Aroma der Beeren. Wer sich so wie ich mehr für Geologie interessiert, lese hier weiter: Chamäleon Kalk.

Alte Reben, Kalk, Heilpflanzen: Knorzen von Andreas Durst's Portugieser Alte Reben. Foto: Ute Mangold, Autor
Uralte Knorzen vom Portugieser Alte Reben. Mit Absenkern und neuen Trieben. Foto: Ute Mangold, Autor

Hundertzwanzig Jahre alte wurzelechte Reben

Wie alt sie genau sind, das weiß keiner. Derjenige, der ihn angelegt hat, ist 1910 gestorben. „Über 110 Jahre alt sind die Reben. Der Portugieser stammt aus einer sogenannten „Selection massale aus Württemberg. Vor 1910 gepflanzt. Wurzelecht. Portugieser mit ca. 15% Lemberger und 2 Sylvanerstöcke. Natürlich auch wurzelecht. Untergrund: Tertiärer Kalkfels mit roter Humusauflage in 80-120 cm Höhe. Kinderheimer Vogelsang 250 Meter NN.“ Erzählt Andreas Durst.

Unter einen Hektar hat er insgesamt gepachtet. Darunter auf ein paar Ar der alte Portugieser. Mit einem Ertrag von 15 Hektoliter pro Hektar. Zum Vergleich in einem „normalen“ Wingert können durchaus 100 Hektoliter /ha geerntet werden. Doch aus kleinsten Mengen holt er größtes heraus. Die Trauben sind kleinbeerig, der Extrakt in ihnen konzentriert.

Alte Reben, Kalk, Heilpflanzen: Die Fässer im Weinkeller von Andreas Durst mit dem Portugieser Alte Reben, Foto: Ute Mangold, Autor
Die Fässer im Weinkeller von Andreas Durst mit dem Portugieser Alte Reben, Foto: Ute Mangold, Autor

Fassprobe vom Portugieser 2020

In seinem Weingut, also eher in der Garage, in Kleinbockenheim machen wir eine Fassprobe. Portugieser Alte Reben, Jahrgang 2020. Eineinhalb Jahre lag er in zwei Fässern, gebrauchten Barriques, zur Reife und noch ein halbes Jahr in einem Tank. Beide Holzfässer darin zusammengeführt. Frisch herausgelassen ins Glas riecht er erstmal nach Waldboden. Ein Boden mit trockenen Laubblättern, herbstlich aber nicht feucht. Ein Tannenzapfen liegt vor uns auf dem Boden, ja genau so riecht er. Im Mund entfaltet er dann sein ganzes Potential. Man muss ihn schon kräftig durchkauen, ein wenig lüften lassen und kleine Schlucke nehmen, dann kommt sie – die Kirsche! Eine feine Frucht entwickelt sich. Das erinnert mich an eine Fassprobe im Piemont bei Enzo Boglietti. Und ja in Richtung Nebbiolo kann man durchaus denken. Die Länge des Weins im Abgang zeigt schon wieviel Potential er hat.

Ein Bericht im Spiegel zum Portugieser 2017

Seinen Status als schützenswerte Rebsorte hat der Portugieser jüngst auch durch einen Artikel im Spiegel – DER SPIEGEL mit dem Titel „Portugieser Rotwein, warum diese Rebsorte bekannter sein sollte“ – untermauert bekommen. Als einer der sieben empfohlenen Portugieser wurde der 2017er P mit „Transparentes Rubinrot, granatrot auslaufend. Stahlige Nase, etwas schwarze Johannisbeere und Baumrinde. Am Gaumen dann sehr präzise Frucht: Kirsche, Pflaume und kreidige Töne. Sehr viel Frische und Vitalität sowie ein fein geschliffenes Tannin. Extrem reduzierter und auf seine Art fordernder Wein.“ 2017 P, Andreas Durst , Pfälzer Landwein, 12 % alc., ca. 28 Euro

Andreas Durst, Winzer und Fotograf

Auf seinen Etiketten steht: „DURST – Ein Name, kein Programm“. Ein Scherz, also wenn jemand Programm hat…..Und einen Plan. Der Plan besteht aus einem Hektar alte Reben. Sylvaner und Portugieser. That’s it. Naturwein, Bio, ungeschwefelt, Biodyn, alle diese Etiketten passen nicht, auch wenn andere ihn gerne in diesen Kategorien haben wollten. Er macht, was er für richtig hält. Mit sicherem Instinkt für guten Wein, sagen wir es mal so. Vereinfacht.

Andreas Durst - Winzer und Fotograf. Vor seiner Garage. Foto: copyright Ute Mangold / wiesengenuss
Andreas Durst – Winzer und Fotograf. Foto: copyright Ute Mangold / wiesengenuss

Von Wuppertal nach Kleinbockenheim

Aus Wuppertal nach Kleinbockenheim eingewandert galt er als Pionier im Pfälzer Norden. Denn dort gibt es Lagen, die noch nicht so bekannt sind. Das Grafenstück bei Bockenheim, mit seiner Einzellage: dem Vogelsang. Und das schon erwähnte liebliche Zellertal, einige der wenigen Weingegenden in der Pfalz mit Südausrichtung und einem einzigartigem geschützten Klima durch den Donnersberg. Besonders an der Ecke im Norden ist, dass es sich um sogenannte „Kalktertiär“-Lagen aus dem Miozän handelt. Erdgeschichtlich ein paar hundert Millionen Jahre jünger als der Muschelkalk der Trias. Kalkriffe, die aus einem warmen Meer hervor wuchsen – kein Pazifik, sondern eher ein Südseetraum! Im Miozän gab es seichte Meeresbereiche, warme Lagunen, intime malerische Buchten, in denen das Meerwasser langsam verdampft und den Kalkschlamm zurück lässt, auf dem nun satte Weine wachsen.

Wein spricht Deutsch

„Weil er einen unverfälschten Blick hat“, wurde Andreas Durst von Stuart Pigott vor einigen Jahren beauftragt, sein Buch „Wein spricht Deutsch“ zu bebildern. Im Buch steht die Frage im Mittelpunkt „Wie schmecken die Weine, warum schmecken sie so?“

Auszug aus dem Klappentext: „Die Weinwelt von der Mosel bis nach Südtirol, von der Saale bis ins Elsass und die Wachau befindet sich in einem atemberaubenden Wandel. Traditionsbewusstsein begleitet von Weltoffenheit und Innovationsfreude führt zu einem nie dagewesenen Geschmacksreichtum und bislang unbekannter Ausdrucksstärke der Weine. Was wahre Winzerleidenschaft dabei grenzübergreifend verbindet, ist das vorbehaltlose Bekenntnis zur Reinheit und Authentizität des Weins. Denn echter Wein schmeckt nicht nur gut, sondern erzählt von einer Landschaft, in der er wächst, vom Wetter, dem er ausgesetzt ist, von den Eigenschaften der Reben und natürlich von den Menschen, die ihn pflegten und begleiteten.
„Wein spricht deutsch‹ vereint diese Geschichten zu stimmungsvollen Gebietsporträts, bei denen immer die Frage »Wie schmecken die Weine und warum schmecken sie so?« im Mittelpunkt steht. Aus dieser Perspektive wird die Geschichte selbst traditioneller Weinanbaugebiete völlig neu erzählt – und manche Geschichten, wie die der neuen Weinbaugebiete im Norden Deutschlands, zum ersten Mal.
Die rund 200 Fotografien sind starke und überraschende Blicke auf die Welt des deutschsprachigen Weins, und laden nicht weniger als die Texte zu einer Reise in diese prächtigen Weinlandschaften ein.“

Winzeralltag in Bildern

Er hat die Winzer, die Weinmacherinnen, die Önologen, die Familien über die Jahre persönlich kennen gelernt und ihre Eigenheiten, Macken und Kauzigkeiten porträtiert. Winzeralltag. Die Familie von der Oma bis zum Enkel beim Essen. Die Jungs mit dreckigen Hosen und verschwitzen Hemden in der Abfüllhalle. Fred Loimer in schwarz-weiß. Hansjörg Rebholz in ausgeblichenen Jeans vor dem Sicherungskasten – die VDP Fahne zurück geschlagen. Weinlandschaften im Herbstnebel, wenig Farben, dunkel, keine Idylle. Die Bilder zeigen: Wein machen ist ehrliche und echte Arbeit!

Bei den Winzern, die er porträtiert hat, hat er es wohl gelernt wie‘s geht. Das Wein machen. „Als Fotograf ist man ein guter Beobachter und Zuhörer“ – meint er.