LÖWENZAHN – der europäische Ginseng?

Taraxacum sect. Ruderalia;
früher Taraxacum officinale L.

Der Löwenzahn trägt viele Namen: Pusteblume, Butterblume, Kuhblume und wegen ihrer harntreibenden Wirkung wird er in manchen Gegenden auch Pissblume, Seichkraut, Bettsoicher oder Bettsäächer genannt. Am Kaiserstuhl heißt er Bieselin, im nahegelegenen Frankreich nennt man ihn „pisenlit“.

Die „Pusteblume“, wie sie von Kindern gern genannt wird, wächst praktisch überall und gilt als „Unkraut“. Es ist fast unmöglich, ihn loszuwerden. Seine bis zu ein Meter lange Wurzel reicht tief in das Erdreich und sticht man ihn aus, treibt jedes kleines übrig gebliebene Wurzelstückchen wieder aus. Auch seine Samen lassen sich vom Winde verweht überall nieder und keimen dort, wo es ihnen gefällt. Das kann auch mal zwischen Pflasterritzen sein. Sogar Mulchfolie kann er durchwachsen. Was alles allerdings auch auf seine Vitalität und Kraft hinweist.

Der Löwenzahn ist eine alte Kulturpflanze und sein lateinischer Namenszusatz officinale deutet auf eine Nutzung im Offizium der Apotheken hin. Die Blätter, Blüten und Wurzeln werden in der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM) und in der traditionellen chinesischen Medizin  (TCM). Hier werden seine diuretischen, sprich harnfördernden Eigenschaften geschätzt.

Reichlich Bitterstoffe verdanken wir dieser Pflanze, sie können die Tätigkeit der Leberzellen fördern und diese schützen. Unsere Leber speichert Energiereserven und setzt sie frei, wenn sie benötigt werden. „Schon bevor die moderne Medizin diese Zusammenhänge erkannte, galt die Leber als Energiezentrum des Körpers“, schreiben Anne Wanitschek und Sebastian Vigl in ihrem Buch und ergänzen: „Daher empfahlen Pflanzenheilkundler unterschiedlicher Epochen Leberheilpflanzen bei Energielosigkeit.“

Müdigkeit gilt auch als den „Schmerz der Leber“. Wenn die Leber schwächelt, ist der ganze Organismus kraftlos. Der Löwenzahn mit seinen Bitterstoffen bietet hier eine gute Unterstützung . (Quelle: Natur & Heilen – Stimulanzien aus der Natur, Februar 2023)

Der Begründer der Makrobiotik Ohsawa und der Löwenzahn

Prof. Georges Ohsawa (1893−1966), japanischer Philosoph und bedeutendster Vertreter der makrobiotischen Ernährungslehre und ZEN-Meister, besuchte 1956 mit seiner Frau den südlichen Schwarzwald. Sie verbrachten ihren 3-wöchigen Urlaub im Haus Sonnenhof in Holzinshaus bei Schönau (Landkreis Lörrach D). Sie unternahmen mit Elisabeth und Hellmut Finsterlin zahlreiche Wanderungen und studierten die regionalen Heilpflanzen. Ohsawa war von der herrlichen Landschaft sehr angetan. Als sie von einem Aussichtspunkt aus auf das Städtchen Schönau blickten, fragte der prominente Gast, wie viele Einwohner dort wohnen, wie viele Ärzte dort praktizieren und ob sie genügend zu tun hätten. Finsterlin beantwortete seine Fragen und betonte, die Ärzte hätten hier genügend zu tun. Die Praxen wären zu bestimmten Jahreszeiten randvoll. Ohsawa schüttelte höchst erstaunt den Kopf und bemerkte: „Wie ist es nur möglich, dass es in dieser Landschaft Kranke gibt?“

Während eines Gesprächs kamen sie auch auf die Verwendung der Ginsengwurzel in Europa zu sprechen. Ohsawa meinte, wo viel Löwenzahn wächst, brauche man keinen Ginseng. Er schätzte die Wurzel des Löwenzahns sehr und empfahl diese zu jeder Mahlzeit zu essen (Stücke gebacken und etwas gesalzen). In der makrobiotischen Ernährungslehre gilt übrigens die Löwenzahnwurzel als eines der positivsten Nahrungsmittel des westlichen Menschen.

(Autor: Heinz Scholz, Mediziner und Wissenschaftspublizist, Schopfheim D. Seine Anmerkung: „Diesen Hinweis verdanke ich der Kräuterfrau Maria Finsterlin von Holzinshaus. Sie verwies auf die Schrift „Erde und Kosmos“, 1978-03, in der die Begegnung mit Ohsawa beschrieben wurde.“ Diese Geschichte erschien auch in der Aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Heilpflanzen“, im Artikel von Rudi Beiser, Heilpflanzen, Haug, Thieme Verlag 1 – 2024)

Die Botanik des Löwenzahn

Der Gewöhnliche Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia; früher Taraxacum officinale L.) stellt eine Gruppe sehr ähnlicher und nah verwandter Pflanzenarten in der Gattung Löwenzahn (Taraxacum) aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae) dar. Meist werden diese Pflanzen einfach als Löwenzahn bezeichnet, wodurch Verwechslungsgefahr mit der Gattung Löwenzahn (Leontodon) besteht.

Sein wissenschaftlicher Name ‚Taraxacum‘ stammt aus dem arabischen Raum. Im Canon medicinae von Abū Alī al-Husain ibn Abd Allāh ibn Sīnā (persisch ابن سينا, arabisch أبو علي الحسين بن عبد الله ابن سينا) verkürzt Ibn Sina genannt, hier als Avicenna bekannt, wird er erwähnt. Die eine Version lautet, dass Taraxacum auf den arabischen Begriff ‚al-taxaracon‚ zurück geht, was „bittere Wurzel“ bedeutet. Die andere Version lautet Taraxacum wurde möglicherweise aus den arabischen Wörtern ‚tarak‘ und ’sahha‘ gebildet, was so viel wie „pissen lassen“ bedeutet. Interessant, denn schließlich heißt er bei uns auch Bettsäächer, Bieselin oder Pissenlit.

Löwenzahn wächst überall

Ursprünglich in den gemäßigten Zonen Europas und Asiens vorkommend, ist er mittlerweile weltweit verbreitet. Vom Flachland bis ins Gebirge wächst der Löwenzahn auf Fettwiesen, Weiden, Äckern, Schutt, Wegränder, Parkanlagen und in Gärten – sogar zwischen Pflastersteinen setzt er sich durch! Als sogenannte „Rosettenpflanze“ wächst er immer wieder aus seiner bis zu zwei Meter (!) langen Pfahlwurzel nach. Dadurch setzt sich der Löwenzahn besonders an Stellen durch, wo andere Pflanzen durch Tritt oder durch Mahd zerstört werden. Der Gewöhnliche Löwenzahn ist sehr leicht mit anderen Pflanzen seiner Gattung zu verwechseln, die manchmal nur durch die Form der Samen unterschieden werden können.

Avicenna und der Löwenzahn

Bei den antiken hellenistischen Ärzten wird der Löwenzahn nicht explizit erwähnt. (siehe auch Geschichte der Heilpflanzen hier im Blog). Erst bei Avicenna und den Arabischen Ärzten des 11. Jahrhundert und später in den Kräuterbüchern fand er Aufmerksamkeit. Seit dem 16. Jahrhundert ist er als Heilmittel anerkannt. Vermutlich hatte er in der Volksheilkunde wohl schon länger Bedeutung, obwohl Hildegard von Bingen – eigentlich gut bewandert in der Naturküche – ihn als Heilpflanze nicht erwähnt hat. Auch dass er essbar ist, muss ihr völlig unbekannt gewesen sein. Vermutlich gab es auf mittelalterlichen Frühlingswiesen kaum Löwenzahn, schließlich mag er gedüngte Wiesen. In Mitteleuropa taucht er erst nach der Renaissance wieder auf, und zwar in alten Kräuterbüchern. Leonhart Fuchs, ein Mediziner und einer der Väter der Botanik erwähnte ihn um 1550 herum als eine Art Wegwarte, er hieß bei ihm „Pfaffenröhrlein“.

„Das Pfaffenröhrlein breitet sich mit seinen vielen Blättern in Kreisform auf der Erde aus […]. Seine gekerbten Zähne ähneln den großen Zähnen der Säge. Pfaffenröhrlein gekocht und getrunken, stopfen den Bauchfluss. Mit Linsen gekocht und getrunken, sind sie gut denjenigen, die die rote Ruhr haben. Wenn der männliche Same ausbleibt, dann soll er von den Pfaffenröhrlein trinken. Sie sind auch gut für diejenigen, die Blut speien“.

Später bei den früheren Apothekern des Spätmittelalters, fand er Eingang in das Officium (daher auch sein Name „officinale“). Die entwässernde und diuretische Wirkung liest man aus seiner Bezeichnung als „Herba urinaria“ bei den galenischen Pillen- und Zäpfchendrehern heraus. Er galt als Mittel gegen Durchfall, Wasserretention, Gicht, Gelbsucht und damit vor allem Galle- und Leberleiden.

Als Taraxum mongolicum wird er in der chinesischen Pharmakologie schon seit Jahrtausenden verwendet: zur Beseitigung von Hitze- und Giftstoffen aus der Leber und zur Behandlung von Furunkeln (sie können auf der Haut als das Entgiftungsorgan bei Leberschwäche entstehen).

Bitterer Löwenzahn – Wirkstoffe

Die gesundheitlich wirksamen Inhaltstoffe des Löwenzahn sind hauptsächlich Sesquiterpen-Bitterstoffe. Sie fördern die Sekretion der Verdauungsdrüsen. Daneben wurde auch eine harntreibende Wirkung nachgewiesen, die möglicherweise auf die hohe Kaliumkonzentration zurückzuführen ist. Anwendung findet die Heilpflanze bei Appetitmangel, Verdauungsbeschwerden mit Völlegefühl und Blähungen, bei Störungen im Bereich des Gallenabflusses und zur Anregung der Harnausscheidung bei entzündlichen Erkrankungen und Steinbildung.

Weitere Inhaltsstoffe sind die antioxidativ wirkenden Flavonoide und dazu Mineralstoffe und Spurenelemente wie Zink und Kupfer. Die Wurzel enthält dazu noch Kohlehydrate wie Inulin, ein Zuckeraustauschstoff, der besonders für Diabetiker geeignet ist. Der Anteil ist im Herbst am höchsten, weshalb sie erst da ausgegraben werden sollen. Weitere Bestandteile der Wurzel sind Carotinoide, Vitamin C und E sowie einen Vitamin B-Komplex.

Der Löwenzahn in der Pflanzenheilkunde (Phytotherapie)

Folgende Pflanzenteile werden verwendet:
Taraxaci folium (Löwenzahnblätter)
Taraxaci radix (Löwenzahnwurzel) und
Taraxaci herba cum radice (Löwenzahnblätter und -wurzel)

Die Hauptwirkstoffe
sind Sesquiterpenlactone-Bitterstoffe (Tetrahydroridentin B, Taraxacolid-β-D-glucosid und andere), ein Phenolcarbonsäurederivat (Taraxosid), und Triterpene (Taraxasterol und dessen Derivate); ferner hohe Kaliumkonzentrationen (bis zu 4,5 %) und Inulin (im Herbst bis zu 40 %). Neuere Forschungsarbeiten aus dem Bereich der Ethnopharmakologie untersuchen die physiologischen Eigenschaften des Taraxasterols.[13][14] Die Sesquiterpenfraktion scheint für die beobachtete leberschützende (hepatoprotektive) Wirkung verantwortlich zu sein[15] und zeigt potentielle chemoprotektive Effekte.[16] Für Extrakte aus Löwenzahn konnte sowohl eine hemmende Wirkung auf das Größenwachstum und die Verbreitung (Invasivität) von Prostata- und Brustkrebszellen[17] als auch eine apoptosefördernde Wirkung bei Leberkarzinomzellen,[18] Leukämiezellen[19] und Pankreaskrebszellen[20] nachgewiesen werden. Im Tierversuch zeigte sich eine leistungssteigernde und erschöpfungswidrige Wirkung nach der Gabe eines Löwenzahnextraktes, wobei ein verzögertes Absinken der Blutzuckerwerte bei gleichzeitigem verzögertem Anstieg der Triglycerid- und Lactatwerte auffiel.[21] Der Gehalt an Vitamin C beträgt etwa 68 mg pro 100 g Löwenzahnblättern.[22] (übernommen aus Wikipedia).

Der Löwenzahn in der Volksheilkunde

Der Löwenzahn gehört zu den schon in der Volksmedizin bekannten Naturheilkräutern. Er enthält etwa zehnmal so viel Vitamin C wie Kopfsalat. Neben dem Bitterstoff Taraxacin, enthält der Löwenzahn auch den für Diabetiker geeigneten Zuckerersatzstoff Inulin, dazu Cholin, Vitamin B2, Harze, Triterpene und verschiedene Carotinoide. Sein Provitamin A Gehalt ist höher als der von Karotten. Bemerkenswert ist sein hoher Kaliumgehalt.

Indikationen und Verwendung des Löwenzahn

Eingesetzt werden Löwenzahnpräparate bei Störungen des Gallenflusses. Zur Anregung der Diurese (Harnausscheidung über die Nieren). Bei Appetitlosigkeit, Völlegefühl und dyspeptischen Beschwerden mit Meteorismus (Blähungen).

Mit seiner harntreibenden Wirkung wurde er auch zur sogenannten „Blutreinigung“ eingesetzt: Als Teil einer Frühjahrskur mit Kräutern hilft er dem Körper zu „entschlacken“, wie man früher gesagt hat, da er sämtliche Verdauungsorgane, Niere und Blase anregt. Dies wirkt sich laut Studien auch positiv auf Rheumatismus oder Gicht aus. Heute ist er gerne Bestandteil sogenannter Detox-Tees, die ebenfalls als Frühjahrskur zum Beispiel in der Integrativen Ernährung von Claudia Nichterl eingesetzt werden.
Nebenwirkungen sind keine bekannt, ganz vereinzelt können Magenbeschwerden auftreten, bei Empfindlichkeit gegen Bitterstoffe. Auch Wechselwirkungen sind keine bekannt. Bei Leber- und Galleleiden ist ärztliche Abklärung notwendig.

Löwenzahn (Taraxacum officinale) im Weinberg bei Durbach, April 22, 
Foto: Ute Mangold, wiesengenuss
Löwenzahn (Taraxacum officinale) im Weinberg bei Durbach, April 22,
Foto: Ute Mangold, wiesengenuss

Löwenzahn in der Wildkräuterküche

Vor allem im Frühjahr von März bis Juni ist die beste Erntezeit für Blüten und Blättchen. Zarte Blätter können aus der Rosette das ganze Jahr über frisch geerntet werden. Wichtig ist, dass die Blüten bei Sonnenschein geerntet werden, wenn sie ganz aufgefaltet sind, denn dann enthalten sie den aromatischten Nektar. Das Rezept kann man sich übrigens ganz einfach merken: Blüten, Zucker, Wasser, Zitrone – alles eins zu eins.

In Frühjahrssalaten wirkt er appetitanregend. Die Blätter des wilden Löwenzahns sind etwas bitterer als die des Kulturlöwenzahns. Ältere Blätter können gekocht als Gemüse auf vielfältige Weise zubereitet werden. Aus Löwenzahnblätter, Wegerich und Brennnesseln wurde früher eine hervorragende Suppe mit vielen Vitaminen und entschlackenden Bitterstoffen zubereitet. Bei vollem Sonnenschein geerntet ergeben die Blüten ein goldgelbes Gelee oder einen Sirup, den „Löwenzahnblütenhonig“. Aus den Blüten lässt sich auch ein intensiv gelber Tee zubereiten oder der in angelsächsischen Ländern beliebte spritzige „Dandelion wine“. Die Blütenknospen können wie Kapern eingelegt werden. Aus den Wurzeln lässt sich sogar Kaffee aufbrühen. Vor allem in der Nachkriegszeit wurde er ähnlich wie Zichorienkaffee eingesetzt. In Japan wird die Wurzeln in Öl und Sojasauce gebraten oder in Brandteig ausgebacken.

Löwenzahnblütenhonig und Ziegenkäse auf Schieferplatte. Mit Zitrone und gelben Löwenzahnblüten. Foto: Ute Mangold, wiesengenuss
Löwenzahnblütenhonig Foto: Ute Mangold, wiesengenuss

Löwenzahnblütenhonig und Ziegenfrischkäse

Zubereitung des Löwenzahnblütenhonigs

1 L Löwenzahnblüten (ca. 200g)
1 L Wasser
1 kg Zucker
1 Zitrone

Die Zitrone in etwa 1 cm dicke Scheiben schneiden. Die Löwenzahnblüten von den Stängeln befreien, aber die Blütenböden dran lassen. Zusammen mit den Zitronenscheiben in einen Topf mit 1 L Wasser geben. Kurz aufkochen, von der Herdplatte nehmen und bei geschlossenem Deckel etwa 20 min ziehen lassen. Anschließend durch ein gebrühtes Leinentuch oder ein feines Sieb abseihen und zusammen mit dem Zucker wieder aufkochen. Auf mittlerer Hitze etwa 1 Stunde leicht köcheln lassen bis die gewünschte sirup- oder honigartige Konsistenz erreicht ist.

Der selbstgemachte Löwenzahnblütensirup passt wunderbar zu einem Salat mit Ziegenkäse oder zu Erdbeeren und anderen Desserts über die er einfach darüber geträufelt wird. 

Bild von Löwenzahnblütensirup im Weckgläschen. Bild Ute Mangold, wiesengenuss